CSU: Viele Technokraten und kein Landesvater

Über die Nachfolge von Strauß wird bereits spekuliert / Fest steht lediglich: Ämterhäufung von Parteichef und Ministerpräsident soll es nicht mehr geben / Oberbayer Streibl hat gute Chancen als „Interimsministerpräsident“ / Schwabe Waigel aussichtsreicher Kandidat für Parteivorsitz  ■  Aus München Luitgard Koch

Strauß ist tot. Noch herrscht Ruhe, ist die Partei mit den Trauerfeierlichkeiten beschäftigt. Doch die Diadochenkämpfe werden nicht ausbleiben; denn zum „Großsiegelbewahrer Bayerns“ hat Strauß keinen seiner Untertanen ernannt. Statt dessen sprach er vieldeutig von einem „Wurzelgeflecht“ jüngerer und fähiger CSU-Politiker. Namen nannte er jedoch nicht.

Seine beiden Kronprinzen, Edmund Stoiber (47) und Gerold Tandler (52), bedachte er abwechselnd mit seiner Gunst. In den vergangenen Monaten hatte allerdings der Altöttinger Postwirt Tandler die Nase vorn. Der gelernte Bankkaufmann wurde im Juli dieses Jahres zum Wirtschaftsminister gekürt und avancierte im August zum Strauß-Berater und außenpolitischen Bevollmächtigten der CSU. Mit seiner Doppelfunktion als Generalsekretär und Fraktionsvorsitzender im Landtag galt er bereits zuvor als zweitwichtigster Mann in der Partei. Daß er diese einflußreiche Position für das Ministeramt aufgab, war ein eindeutiger Hinweis auf seine Ambitionen als Straußnachfolger. Damit wollte der gebürtige Sudetendeutsche sein Image als kalter, berechnender Funktionär in Richtung jovialer Minister aufpolieren. Doch die Zeit für solcherlei kosmetische Korrekturen war zu kurz. Hervorgetan als gnadenloser „Law-and-order„-Mann hat sich Tandler in seiner Zeit als Innenminister von 1978 bis 1982. Er ordnete 1981 die Nürnberger Massenverhaftungen rund um das Jugendzentrum „KOMM“ an. Zwar kann der Kronprinz, der als Repräsentant des weißblauen „High-Tech„-Freistaats auftreten, aber die Nähe zu Trachtenanzug und Tradition fehlt dem Technokraten.

Die Ausstrahlung eines „gütigen“, wenn auch im Vergleich zu Strauß farblosen „Landesvaters“ hat da schon eher Finanzminister Max Streibl. Vor kurzem wurde der gebürtige Oberammergauer von Strauß zu seinem Stellvertreter bestimmt. Als Oberbayer hat er innerhalb der CSU eine starke Hausmacht hinter sich. Doch der Ministerpräsident wird von der Landtagsfraktion gewählt, und die wurde bis vor kurzem souverän von Tandler geführt. Vieles spricht jedoch dafür, daß der 56jährige Streibl im Moment zum „Übergangsministerpräsident“ gewählt wird. Ob Tandler sich dann nach den Landtagswahlen 1990 durchsetzen kann, ist nicht sicher. Denn wie die Erfahrung zeigt, amtierte auch der ehemalige Ministerpräsident Alfons Goppel - 1962 als „Interimsmann“ angetreten - 16 Jahre lang.

Unklar bleibt auch, welche Verbesserungen sich für Strauß -Adlatus Stoiber ergeben. Ein Ministeramt, eventuell der freigewordene Finanzministerposten oder gar der Weg nach Bonn scheinen angesagt. Als Ministerpräsident kommt der spröde, hölzern wirkende Wadlbeißer kaum in Frage, und auch in der Partei schnitt er bei den Vorstandswahlen oftmals schlecht ab.

Zu kurz kommen will auch der liebste Ziehsohn von Strauß, Staatssekretär Gauweiler, nicht. Der „schwarze Peter“ war nicht umsonst als erster am Krankenbett des Sterbenden. Doch Strauß selbst stoppte in den vergangenen Monaten Gauweilers Aufstieg, nannte den Junggesellen zwar ironisch „Oberstaatssekretär“, erklärte aber gleichzeitig, daß der 39jährige Karrierist erst einmal am „Ende der Fahnenstange angelangt“ sei. Zu einem Ministeramt oder gar zum Leiter der Staatskanzlei reichte es nicht. Gauweiler hat in der Partei nämlich nicht nur Bewunderer. Sie sorgten für den „Karrierestopp“ des Aufsteigers. Im Innenministerium wirkt Minister August Lang jedoch seit längerem mehr als Marionette Gauweilers.

Was allerdings bei allen Spekulationen bereits jetzt feststeht: Parteivorsitz und das Amt des Ministerpräsidenten werden voneinander getrennt. Beste Chancen für den CSU -Vorsitz werden dem Schwaben Theo Waigel (49) eingeräumt. Bereits auf dem Parteitag 1987 konnte der CSU -Landesvorsitzende im Bundestag bei der Vorstandswahl das beste Ergebnis der „Bezirksfürsten“ einfahren. Der promovierte Jurist gilt als progressiver Vordenker der CSU.

Insgesamt zeigt sich jetzt, wie dünn die Personaldecke der CSU ist. Was geboten wird ist ein Kabinett von vielen glatten Technokraten, die wohl kaum in der Lage sein werden, den Spagat zwischen Tradition und Fortschritt, den die CSU ihren „Landeskindern“ trotz allem bislang meisterlich vorführte, noch länger durchzuhalten. Dabei wird sie auch an eigenem Profil verlieren. Auch ihr Markenzeichen „Einheit und Geschlossenheit“ wird durch die drohenden Machtkämpfe Risse bekommen. Angesichts all dessen ist die Frage nach der Berechtigung der Partei nach dem Tod ihres „Monarchen“, wie sie der Chefreporter der 'Südeutschen Zeitung‘, Herbert Riehl-Heyse, stellte, naheliegend: Was will sie noch - die CSU ohne „IHN“?