Entführter Junge wieder frei

■ Polizeibeamte befreiten achtjährigen Bremer Schüler nach 13 Tagen aus verschlossener Holzkiste / Kidnapper bei Lösegeldübergabe gefaßt / 1 Million bis auf 13.000 Mark sichergestellt

Dennis Mooks ist wieder da! In der Nacht zum Mittwoch befreiten nordrheinwestfälische Polizeibeamte den achtjährigen Bremer Schüler aus einer mit schweren Vorhängeschlössern gesicherten Holzkiste. Ein Kidnapper hatte den Jungen darin seit 13 Tagen gefesselt und geknebelt gefangen gehalten. Der Täter, der 23jährige Marcus N. aus Soest, wurde festgenommen. Gestern mittag konnte ein „sehr, sehr glücklicher“ Bremer Innensenator Bernd Meyer der Presse den erfolgreichen Ausgang der fast zweiwöchigen Such- und Fahndungsaktionen bekanntgeben. Während der beiden dramatischen Wochen hatte die Polizei eine totale Nachrichtensperre über den Entführungsfall verhängt.

Dennis war am 22. September um 7.30 von seiner Kindertagesstätte „Blanker Hans“ in die Schule Robinsbalje aufgebrochen, dort aber nie angekommen. Drei Tage lang hatte Dennis als vermißt gegolten, ehe sich der Entführer erstmals mit einer Lösegeldforderung von einer Million Mark an die Mutter des Kindes, an die Bildzeitung und Bremens Bürgermeister Wedemeier wandte. Von da an wurden Pressevertreter unter der Maßgabe absoluter Verschwiegenheit ständig über den Stand der Ereignisse informiert.

Am gestrigen Morgen um 1.28

Uhr wurde der Täter bei Lippstadt nach der Übergabe des Lösegeldes gefaßt. Er hatte die Überbringer des Lösegeldes am Dienstag aufgefordert, mit der geforderten Million in den Intercity „Herkules“ von Köln Richtung Kassel einzusteigen. Als der Zug gegen 1 Uhr nachts in Lippstadt hielt, nahm der maskierte Kidnapper einen Bahnbeamten als Geisel (Polizeipräsident Diekmann: „Ein Trauma für uns“) und zwang ihn, den Geldsack aus dem Zug zu holen und in einem VW-Golf zu verstauen. Da Kinder sich die Nummer des Fluchtfahrzeugs gemerkt hatten, konnte die Polizei die Verfolgung aufnehmen. Nachdem der Täter zwei Straßensperren durchbrochen hatte'wurde er überwältigt.Zu diesem Zeitpunkt wußte die Polizei noch nicht, ob es sich um einen einzelnen Erpresser oder eine Tätergruppe handelte, die nach der Festnahme eines ihrer Mittäter die Drohung, Dennis zu ermorden. hätte wahrmachen können. Bremens Kriminaldirektor und Koordinator der bundesweiten Ermittlungen, Werner Roß: „Ein gewisses Risiko mußten wir eingehen.“

Aufgrund „nachdrücklicher Vernehmung“, so gestern Polizeipräsident Ernst Diekmann, gab der Täter sein Versteck für den Jungen in einer Feriensiedlung in Brandsscheid (Eifel) preis, wo Beamte den Jungen eine

Stunde später gefesselt, aber unversehrt aus seinem unmenschlichen Gefängnis befreiten.

Während der gesamten Dauer der Entführung hatte der Entführer immer wieder, z.T. direkt, z.T. über einen Redakteur der Bildzeitung, Kontakt zur Polizei und der Mutter des Kindes herge

stellt. Bereits am 29. September hatte er bei der Polizei in München angerufen, um die Übergabe des Lösegeldes zu fordern. Aufgrund des Anrufs fand die Polizei in einem Bahnhofsschließfach Anweisungen für die Geldübergabe: In Paketen a 200.000 Mark sollte eine Million'verpackt in ei

nem Müllsack, aus einem fahrenden Intercity auf der Strecke München-Kassel herausgeworfen werden. Ein Leuchtsignal auf den Schienen sollte den Abwurfpunkt markieren. Die Übergabe in der Nacht vom 29. auf den 30. September scheiterte: Durch den Aufprall mit einem entgegenkommenden Zug platzte der Müllsack, eines der Geldscheinbündel löste sich auf, 2.000 Hundertmarkscheine flogen zwischen Paderborn und Hamm auf der Höhe von Willebadessen durch die Luft. Kurz nach Mitternacht meldete sich die empörte Stimme des Erpressers bei der Münchener Polizei: „Ihr wollt mich wohl verarschen!“ Erst durch eine verschlüsselte Nachricht an den Entführer in den Heute-Nachrichten gelang es, den Entführer davon zu überzeugen, daß er nicht bewußt „gelinkt“ werden sollte. Mit dem in der Montagsausgabe der Bildzeitung abgedruckten Satz „Dennis, wir sagen ja“, zeigte die Polizei die Bereitschaft zu einer zweiten Geldübergabe. Gleichzeitig forderte sie verschlüsselt ein erneutes, unverwechselbares Lebenszeichen von Dennis.

Bis auf 13.000 Mark, die aufmerksame Spaziergänger an der Bahnstrecke Hamm - Paderborn finden können, wurde das von der Bremer Landesregierung zur Verfügung gestellte Lösegeld inzwischen sichergestellt.

K.S.