Die Partei behält ihr Gewicht

Alf Mintzel, bayerischer Parteiensoziologe, sieht keine dramatische Veränderung  ■ I N T E R V I E W

taz: Wird der Tod von Strauß tatsächlich die politische Landschaft in Bayern verändern?

Alf Mintzel: Nein. Er wird Wirkungen haben, aber verändern wird er sie nicht. Die Machtpositionen und ihre Verteilung sind in Bayern viel zu fest. Die CSU hat die absolute Mehrheit. Sie wird Prozentpunkte verlieren. Aber es gibt ein Ungleichgewicht der Macht seit zwanzig, dreißig Jahren, und das wird sich über Nacht nicht verändern. SPD, Grüne und FDP selbst zusammenaddiert, können dem Koloß CSU nichts anhaben.

Die CSU hatte doch bereits bei der letzten Landtagswahl ihr schlechtestes Ergebnis seit 20 Jahren, sie hat auch bei der Bundestagswahl verloren.

Das waren natürlich Warnsignale, Menetekel. Die CSU ist in eine Grenzsituation gekommen. Im Landesdurchschnitt hatte sie bei der Bundestagswahl 4,4 Prozent verloren, sie hat auch bei der Landtagswahl Verluste, wenn auch nicht in gleicher Höhe, erlitten. Hinzu kam: Sie hat mit dem klassisch agrarischen Niederbayern und der Oberpfalz neue, schwierige Problemgebiete. Außerdem stagnieren die Mitgliederzahlen. In den letzten Wochen zum Beispiel hat sie allein 700 bis 800 Mitglieder wegen der Flugbenzinaffäre verloren, auch ein Novum. Alles Zeichen der Grenzsituation. Der Populist Strauß war zum Teil unpopulär geworden. Das war ein Alarmzeichen auf das die CSU aber prompt reagierte, indem sie sich mehr als Führungsteam präsentiert hat. Seither trat Strauß immer häufiger in Begleitung auf: zur Rechten Tandler, zur Linken Waigel, dann Stoiber.

Was wird denn zukünftig der Unterschied zwischen der CSU und etwa einem CDU-Landesverband Baden-Württemberg sein?

Zunächst einmal zum bleibenden Eigengewicht. Es gibt zwei institutionelle Faustpfänder alter bayrischer Tradition, die man nicht aus der Hand geben wird. Einmal die Autonomie der Partei und zum andern der daraus resultierende Sonderstatus der CSU-Landesgruppe in der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU. Als autonome Fraktion mit einer kohärenten operierenden Gruppe hat die CSU eine ganz andere Durchschlagskraft als etwa eine CDU-Landesgruppe unter anderen. Die Stoßkraft von Strauß wird fehlen. Die Instrumente aber sind weiterhin da. Wenn der Landesvorsitzende, Herr Waigel, der durchaus politische Statur hat, diese Instrumente handhabt, dann sind sie natürlich nach wie vor wirksam in der Bundespolitik. Man darf die institutionellen Hebel nicht unterschätzen.

Wird es jetzt - bei der Nachfolge geht es ja um drei zentrale Posten, die Führung der Landesgruppe, den Parteivorsitz und den Ministerpräsidenten - zu offenen Machtkämpfen in der Partei kommen?

Ich glaube nicht, daß es zu Diadochenkämpfen kommen wird. Es wird Spannungen geben bei der Besetzung und einer möglichen Koppelung von Ämtern bei den von Ihnen genannten strategisch operativen Schlüsselpositionen. Parteivorsitz plus Landesgruppenvorsitz, das heißt Waigel, bedeutet die Betonung der bundespolitischen Komponente. Parteivorsitz plus Ministerpräsidentenposition bedeutet Betonung der landespolitischen Komponente. Für den Ministerpräsidenten kommen nur zwei Kandidaten in Frage: der jetzt amtierende stellvertetende, Herr Streibl, oder Tandler. Erst mal wird man, um Zeit zu gewinnen, Herrn Streibl zum Ministerpräsidenten machen. Dann geht es um den Parteivorsitz, und es bleibt die Frage, wie das in zwei Jahren gelöst wird. Wie es ausgeht, ist offen. Ich bin mir aber sicher, daß der Parteivorsitz entweder auf Waigel oder auf Tandler zukommt.

mtm