CSU - Maschine ohne Motor

■ Die Tracht der Partei verliert an Glanz, doch der Apparat steht bis ins letzte Dorf

Was wird aus der CSU nach Strauß? Hat die Partei, die vorgibt, ein Synonym für Bayern zu sein, eine Chance, ihre Eigenständigkeit zu bewahren, oder wird sie zu einem CDU -Landesverband? Die taz befragte zwei Spezialisten, die von unterschiedlicher Warte die Perspektiven ausloten. Während der eine auf programmatische Defizite verweist, die bislang durch Strauß‘ Rethorik verdeckt wurden, setzt der andere auf die Autonomie der CSU als faktische Kraft. Tenor insgesamt: Der Glanz bröckelt ab.

München (taz) - Was ist los mit Bayern? Wie kam es zu der Formel „CSU ist gleich Bayern, Bayern ist gleich Strauß“, die jetzt angesichts seines Todes nochmals betont wird? Ist Bayern tatsächlich ein Land voller Reaktionäre, die von den Bergen jolen? Auch Klischees kommen nicht aus dem Nichts, doch wie bereits der Schriftsteller Carl Amery feststellte, bedeutet das nicht, daß der Bayer kein Revolutionär sein könnte. „Es zieht sich ein Strang von Rebellion, von Aufsässigkeit durch unsere Gerschichte - aber es ist immer die Rebellion gegen ganz konkrete Zwänge (...) der Zwang, zuviel Steuern zahlen zu müssen (...) kein Wildbret schießen zu dürfen.“ Ideologien und Weltverbesserern gegenüber ist man eher mißtrauisch.

Geglaubt wird an den Herrgott und vor allem ans „Sach‘ z'ammhalt'n“, also an den Besitz und dessen Vermehrung. Wenn's drauf ankommt, wird aber auch „revolutionär“ gehandelt, ganz pragmatisch, wie es der Schriftsteller Oskar Maria Graf schilderte, als ein Münchner Dreher von den Mehrheitssozialisten in den Novembertagen 1918 auf die Frage seiner Genossen: „Wos is? Wos sogst? Moch ma mit oder ned?“ die typische Antwort gab: „Also, dann mocha ma holt dia Revolution, damit a Ruah is!“

Was hat das nun mit der CSU und ihrer langjährigen Vormachtstellung in Bayern zu tun? Zum einen ist auch die CSU im eigentlichen Sinn eine Partei ohne Programm, eher eine „Fortwurstel-Partei“, wie der Journalist Riehl-Heyse aus anonymen Unterlagen in amerikanischen Akten - die Amerikaner hatten ihre Spitzel in den ersten Treffen der CSU und beobachteten die Entwicklung genau - zitiert. „Das weitaus wichtigste und interessanteste Parteigebilde in Bayern ist die Christlich-Soziale Union. In ihrer teils beabsichtigten, teils naturnotwendigen Vieldeutigkeit ein Festessen für alle politischen Gourmets“, heißt es dort. Und weiter: „Die Union ist vielmehr die typisch bayerische Reagenz, indem sie den 'intellektuellen Parolen‘ wie Marxismus, Planwirtschaft, Antimilitarismus und Internationalismus Gefühlswerte entgegenstellt, nämlich Heimatliebe, christliche Lebenshaltung (...). Das Naturgegebene wäre für sie eine Politik des Fortwurstelns, der praktischen Augenblicklösungen und der Kompromisse.“ Dieser Pragmatismus, den die CSU zu einer hohen politischen Kunst entwickelte, ist der bayerischen Mentalität also nicht fremd. Und so wurden selbst solche Eingriffe wie die Gebietsreform letztlich doch von der Mehrheit hingenommen.

Denn so sehr die Bayern auf ihre Unabhängigkeit pochen, so sehr sind sie es auch gewohnt, zentralistisch von oben verwaltet zu werden. Bereits zu Beginn des 19.Jahrhunderts baut der bonapartische Aufklärer von oben, Graf Montegelas, an dem modernen zentralistischen bayerischen Staat. Und daran konnte auch die „CSU-Maschine“, wie Amery die Christlich-Sozialen bezeichnet, anknüpfen. Straff durchorganisiert ist die Partei bis in den kleinsten Ort. Als Ausgleich dafür gibt es dann das „Mir san mir„-Gefühl gratis. Nach außen wird immer wieder der Förderalismus hochgehalten. Und wenn's wieder einmal nicht geklappt hat, waren's die in Bonn.

Das Selbstwertgefühl der „Südstaatler“ zu stärken verstand vor allem Strauß meisterhaft. Sprüche wie: „Wir sind keine Lederhosendeppen mit Bierschaum vor dem Mund, auf die die Gesetze des Verstandes nicht anwendbar sind“ oder: „Bayern erkältet sich noch lange nicht, wenn anderswo gehustet wird“ waren Balsam auf die bayerische Seele. Und auch der „Fortschritt“ hat in den Augen vieler dazu beigetragen, daß sich das frühere Nord-Süd-Gefälle zugunsten Bayerns verschoben hat. Und wenn dieser „Fortschritt“ dann auch noch im Trachtengewand daherkommt und die „Sach“, die man zusammenhalten will, nicht gleich weniger wird, gibt es eben nichts besseres als die „Schwarzen“.

Doch die „Wende“ hat in Ansätzen begonnen. Einige Bauern merken immer wieder mal, daß ihre „Sach“ und der weiß-blaue Fortschritt doch nicht ganz zusammenpassen. Wenn jetzt durch das Abtreten von Strauß die Tracht an Glanz verliert und damit als beruhigendes Element der Tradition wegfällt, weil sie keiner seiner Nachfolger mehr erfolgreich als Deckmantel benützen kann, verliert auch die CSU nach und nach an Faszination. Wie weit die Tracht bereits zur Farce geworden war, bekamen als letzte die Oberpfälzer zu spüren. Ihr Gefühl: Als „Atompfalz“ auf dem Altar des Fortschritts geopfert zu werden.

Die Antwort auf die Frage „Was ist bayerisch?“ hat Herbert Achternbusch einmal so formuliert: „In Gummistiefeln stehen sie in der Miststatt und legen vom Misthaufen mit der Mistgabel Mist auf den Mistwagen... Sie sind stolz auf ihre Oberarmmuskeln, und sie sind stolz, daß ihre Regierung ihren Stolz auf den Stolz auf ihre Oberarmmuskeln vertritt und daß sie von ihrer Regierung behandelt werden, wie sie den Mist behandeln, denn keinem soll es besser gehen.“

Luitgard Koch