Brot und Spiele

■ Verein „Olympiastadt Berlin“ bekräftigt sein Ziel, 2004 die Qlympischen Spiele nach Berlin zu holen

„Ich habe mir in den Kopf gesetzt, die Olympischen Spiele in Berlin mitzuerleben, und zwar möglichst in Ost- und West -Berlin, und dafür bin ich bereit, mit allen meinen Möglichkeiten einzutreten.“

Mit diesem Glaubensbekenntnis trat gestern Jürgen Schulz, der neue Vorsitzende des Vereins „Olympiastadt Berlin“ vor Journalisten. Schulz ist Industriekaufmann beim Pharma -Konzern Schering - da liegt die Sympathie für den Leistungssport wohl auf der Hand. Zwecks Werbung für die Stadt und zur „Förderung des Leistungsprinzips auf allen Ebenen“ soll die „Sportstadt Berlin“ im Jahr 2004 den olympischen Höhepunkt erklimmen, dieses Ziel bekräftigten die Vereinsvertreter gestern. Das ursprüngliche Zieldatum 1992 hat man zwar um zwölf Jahre nach hinten korrigiert. Doch immerhin: Im letzten Jahr hat der Verein die Tour de France nach Berlin geholt, und die Idee „Olympia 2004“ ist in der Stadt inzwischen salonfähig.

„Brot und Spiele für Berlin“ - dieses gar nicht ironisch gemeinte Motto des Vereins mußte wohl auch dem Senat einleuchten. Von Eberhard Diepgen bis zu Sportsenatorin Laurien führen die Politiker „Olympia 2004“ im Munde - wenn auch mit gebremster Euphorie. Zwar ließ sich die Stadtregierung eine eigene PräsentierVertretung in Seoul 800.000 Fortsetzung auf Seite 34

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Mark kosten, doch eine Olympia-Bewerbung habe dort nicht im Mittelpunkt gestanden, versicherte gestern Jürgen Kießling, Senatsrat in der Sportverwaltung. Während Hamburgs Bürgermeister Voscherau kürzlich lauthals verkündete, die Hansestadt werde sich für 2004 bewerben, hält sich Laurien bislang vornehm zurück. Kießling zur taz: „Das ist alles zunächst eine Frage an den Sport, an das Nationale Olympische Komitee.“

Erst in fünf oder sechs Jahren wird dort entschieden, welche der fünf deutschen Bewerberstädte den Zuschlag erhält, 1998 entscheidet der IOC. Über das „Vorpreschen“ der Hamburger hat sich der Berliner Senat gleichwohl geärgert. Kein Wunder: Ihm sind die Hände von Status wegen erstmal gebunden. „Wir müssen die Realitäten im Auge behalten“, räumt der Senatsrat ein. Bei Spielen allein in West-Berlin lauert die Gefahr eines Boykotts durch die Osteuropäer, Spiele in beiden Teilen Berlins aber sind zur Zeit bestenfalls eine „realutopische“ (Kießling) Angelegenheit. Dafür müßte die Mauer weit durchlässiger werden - nicht nur für die Sportler, sondern auch für die Zuschauer.

Die technischen Voraussetzungen für Olympische Spiele hingegen seien in West-Berlin gegeben, das verkünden Verein und Sportsenatorin unisono. Die britische Garnison habe versprochen, ihre Spandauer Kaserne als Olympisches Dorf freizumachen, erklärt der Verein. Daß neben dem ICC Platz für ein großes Pressezentrum sei, das habe der IWF-Kongreß gezeigt. Eine neue Schwimmhalle sei allerdings nötig, und ein Sportpalast natürlich, dieses Lieblingsprojekt von Laurien und Schreckgespenst von Finanzsenator Rexrodt. Der Verein will weiterhin „Stimmung machen“, in der Berliner Wirtschaft und in der „Bevölkerung“. Auch „die Presse“ soll eingespannt werden, damit die Berliner die zwangsläufigen Belästigungen durch das Großereignis eines Tages klaglos ertragen.

hmt