Wie mafios sind Italiens Sozialisten?

■ Nirgendwo ist Craxis PSI so erfolgreich, wie in den Mafia-Hochburgen Siziliens / Ob es daran liegt, daß die Sozialisten der Justiz eifrig Stöcke zwischen die Beine werfen?

Beim Begräbnis des ermordeten Mauro Rostagno, Mitbegründer von „Lotta continua“ und Leiter einer Drogentherapiegemeinschaft in Westsizilien, hatte Sozialisten-Vize Claudio Martelli starke Worte parat. Von einem „Angriff auf den Staat“ sprach er, „von der Eskalation der Gewalt“ und dem „Mord an einem ungeschützten Leben“.

Daß in Sizilien viele Leben ungeschützt sind, hat sich allerdings Martelli mit seinem PSI weitgehend selbst zuzuschreiben. Keine Partei Italiens greift die Justiz des Landes so massiv an wie die Sozialisten, niemand zielt mit so groben Beleidigungen auf den ersten antimafiosen Bürgermeister Palermos, Leoluca Orlando, wie Martelli selbst: „anormal“ sei dessen Koalition mit Grünen und Linksunabhängigen, geradezu „pervers“ der Hang Orlandos zu einer transparenten Politik und seine vielen Reisen, mit denen der Stadtchef im In- und Ausland Vertrauen zu einem „neuen“ Palermo herzustellen versucht. Die Mafia freut sich, denn dieser untypisch christdemokratische Bürgermeister mißfällt ihr sehr, hat er doch ihre vertrauten Ansprechpartner innerhalb der DC kaltgestellt und so die Vergabe lukrativer Bauaufträge blockiert, die sonst automatisch an sie gegangen waren.

Noch größere Freude machen der Mafia freilich die Angriffe des PSI auf Ermittler und Richter - derzeit noch der einzige Bereich, wo Italiens Institutionen wenigstens einigermaßen funktionieren, wo Skandale aufgedeckt und mitunter gar Dunkelmänner dingfest gemacht werden. Doch PSI-Chef Bettino Craxi kann nicht vergessen, daß ein eifriger Fahnder mit Namen Carlo Palermo bei seinen Ermittlungen gegen mafiose Waffenschieber in Oberitalien auch auf den Namen Mach di Palmstein stieß - und der war oberster Finanzberater des PSI. Craxi, damals Regierungschef, stoppte das Verfahren, der Fahnder ließ sich versetzen - und entging kurz darauf in Trapani um Haaresbreite einem Dynamitanschlag, bei dem eine Frau mit ihren beiden Kindern starb.

Voriges Jahr paukten die Sozialisten ein Gesetz durch, das Richter und Staatsanwälte bei Fehlgriffen persönlich (und nicht wie anderswo den Staat) zur Kasse bittet; vor drei Wochen leitete der sozialistische Justizminister Vasalli ein Disziplinarverfahren gegen Staatsanwälte ein, weil sie Aussagen von Regierungspolitikern in einem Camorra-Prozeß als „unglaubwürdig“ eingestuft hatten. Die Justiz liegt seither an kurzer Leine. Der Mafia erscheint es da nur logisch, die justizhinderlichen Genossen kräftig zu unterstützen. Bei den letzten Wahlen konnten Craxis Mannen (Spitzenkandidat in Palermo Claudio Martelli) denn auch speziell in Mafia-Hochburgen ihren Anteil verdoppeln; in manchen Bars Palermos hingen Poster notorischer Killer, die zur Stimmabgabe für Sozialisten aufforderten. Distanzierung seitens des PSI gab es nicht.

Dennoch haben die Sozialisten nun ein Problem: sie können ihr Wahlversprechen eines Sturzes Orlandos nicht einlösen und damit auch nicht an die Schalthebel der Macht zurückkehren. Das aber erwarten die Mafiosi dringend sollen doch in den nächsten drei Jahren umgerechnet mehr als zehn Milliarden Mark als Strukturhilfen nach Palermo kommen. Und auf die haben Sozialisten wie Mafiosi ein begehrliches Auge geworfen.

Werner Raith