Ingvar Carlson kommt auf keinen grünen Zweig

Regierungserklärung des schwedischen Ministerpräsidenten wird von neuer Fraktion im Reichstag, den Grünen, als dünn kritisiert / Ökopartei agierte bei ihrer Parlamentspremiere routiniert  ■  Von Gisela Pettersson

Stockholm (taz) - Manche dachten, die Grünen hätten bereits ihre Forderung nach einer autofreien Stockholmer Innenstadt durchgesetzt. Doch daß der König und seine Frau am Mittwoch in pferdebespannter Kutsche kamen, war jenem Protokoll zuzuschreiben, das alle drei Jahre bei der Eröffnung des Schwedischen Reichstags abgespult wird. Auch diesmal lief beim Startschuß zur neuen Parlaments-Saison alles wie am Schnürchen - und trotzdem war es nicht wie immer: Das erste Mal seit 1918 saßen VertreterInnen einer neuen Partei auf den taubenblauen Plenarstühlen: die 20 Abgeordneten der Umweltpartei, de Gröna.

Ihre Anwesenheit im parlamentarischen 5-er-Klub - bestehend aus Sozialdemokraten, Kommunisten, Liberalen, Zentrum(Bauern)Partei und Moderaten (vergleichbar CDU) ließ den König in seiner Eröffnungsrede in das Thema Umwelt einsteigen. Er warnte vor Zerstörung der Natur, mahnte zur Balance zwischen Ökologie und Ökonomie.

Konkreter wurde der sozialdemokratische Ministerpräsident Ingvar Carlsson in seiner Regierungserklärung. Nicht nur, daß die Schweden für 1992 eine UN-Umweltkonferenz initiieren wollen, für 1989 bereits kündigte er Umweltabgaben für organische Chlorverbindungen und Schwefel an. Das Wie und Wann der Stillegung von zwei der zwölf Atomreaktoren, die Forderung alternativer Anbauformen in der Landwirtschaft und die Ankündigung, daß die 400.000 Arbeitsplätze in Schweden bedroht sind, die Gesundheit und Umwelt am meisten gefährden, waren von Carlsson gesetzte ökologische Fixpunkte.

Doch die Umweltpartei ließ den alten neuen Regierungschef auf keinen grünen Zweig kommen. Die Grünen verpaßten der Regierungserklärung das Prädikat „schwach„; die umweltpolitischen Vorstellungen des Regierungschefs bezeichneten sie als vage.

Die von Carlsson skizzierte „radikale Umweltpolitik auf dem Boden einer starken Wirtschaft“ fand Beifall lediglich bei den Kommunisten (vpk). Deren Vorsitzender Lars Werner vermißte allerdings verteilungspolitische Impulse. Carlsson hatte auf jene alten Hausrezepte gesetzt, die Schwedens Arbeitsmarkt nach wie vor eine stählerne Gesundheit bescheren.

Um die Details des Regierungsprogramms wird in den 16 Ausschüssen des Parlaments gestritten. Mit ihren 20 Mandaten hatten die neun grünen Frauen und elf grünen Männer hauchdünn den Passierschein in die Ausschußarbeit verfehlt. Nicht Häme, sondern Hilfe der etablierten Parteien war die Antwort. Die Ausschußsitze wurden kurzerhand durch Mehrheitsbeschluß von 15 auf 17 erhöht.

In der ersten Fragestunde des Parlaments agierten die Neulinge sachkundig und routiniert. Von ihren insgesamt 20 eingereichten Fragen kamen sechs auf die Tagesordung; die Themen reichten von einer umstrittenen Eisenbahntrasse, dem Waffenexport, über Flugtransport-Verbot für radioaktiven Müll bis zum Autoverkehr in Großstädten. Neue, weniger formale Töne waren im Reichstag zu hören, denn die Grünen waren vor allem, als es um Fragen der Arbeitserlaubnis für Asylsuchende und den schwedischen Waffenexport ging, emotional beteiligt.

Ob es der Partei gelingen wird, die traditionelle 2er -Blockbildung von sozialistischem und bürgerlich/konservativem Lager aufzubrechen, bleibt abzuwarten. Lars Werner, vpk-Vorsitzender und ausgefuchster Parlamentarier, brachte es auf den folgenden Nenner: „Klar liegen Welten zwischen sozialistischen und grünen Zukunftsideologien, aber warum sollte man sich nicht in tagesaktuellen Sachfragen zusammenraufen können. Die Grünen müssen nur noch begreifen, daß eine gute Umwelt auch eine machtpolitische Frage ist.“