Zugeständnisse an Polens Opposition

■ Katholische Klubs zugelassen / Harte Linie gegen Solidarnosc: Jaruzelski gegen Wiederzulassung / Christdemokratische Partei soll gegründet werden / Walesa droht mit Boykott der Gespräche am runden Tisch / Gewerkschaftspluralismus dürfe nicht in Frage gestellt werden

Warschau/Berlin (afp/ap/dpa/taz) - Die polnische Regierung verfolgt anscheinend eine Taktik des „Teile und Herrsche“, nach der die Legalisierung gemäßigter oppositioneller Vereinigungen erwünscht ist, während die Wiederzulassung der Gewerkschaft Solidarnosc unterbunden werden soll. In den vergangenen Wochen wurden in Polen bereits mehrere katholische Klubs zugelassen. So wurden zwei katholische Studentenklubs in Poznan und Danzig zugelassen und ebenso in Warschau der oppositionelle Diskutierklub „Dziekania“, dem der Ex-Parlamentsabgeordnete Stanislaw Stomma vorsteht.

In der vergangenen Woche hatte es auch Gespräche des neugewählten Premier Rakowski mit dem Primas der Katholischen Kirche, Glemp, gegeben. Inzwischen, so erklärte Stomma in Warschau, sei auch an ein „Dziekania„-Mitglied von der Regierung das Angebot herangetragen worden, in die am 13. Oktober neuzubildende Regierung einzutreten. Die Staats und Parteiführung hat in der Vergangenheit bereits mehrmals deutlich gemacht, daß sie die Regierungsbasis um mehr Parteilose erweitern möchte. Die Aussichten, schon vor einem Zugeständnis gegenüber Solidarnosc mitarbeitswillige Katholiken zu finden, sind nun durch eine Ankündigung eines prominenten Katholiken gestiegen. Janusz Zablocki, Ex -Parlamentsabgeordneter und Leiter des „Forschungszentrums katholische Sozialwissenschaften“, gab am Donnerstag die Gründung eines „christdemokratischen Klubs“ bekannt, der „Kern einer künftigen christdemokratischen Partei“ werden solle. Der Vorschlag, eine christdemokratische Partei zuzulassen, war bereits während des Kriegsrechts von dem unabhängigen Abgeordneten Osmanczyk aufgeworfen, jedoch stets abgelehnt worden. Auch die Kirche stand dem Vorschlag lange kritisch gegenüber. Zablocki, dem gute Kontakte zur Amtskirche nachgesagt werden, scheint nun ein Stimmungswandel bei Regierung und Kirche ausnutzen zu wollen. Die Zulassungen katholischer oppositioneller Klubs deuten bereits an, daß die Behörden ihren Standpunkt geändert haben.

Zugleich soll dieses Mehr an Pluralismus die Nicht -Legalisierung von Solidarnosc versüßen. Inzwischen wurde in Polen nämlich ein internes Parteirundschreiben bekannt, in dem General Jaruzelski dazu aufruft, die „Extremisten“ der Gewerkschaft „auszuschalten“. Jaruzelski sprach sich auch gegen eine Zulassung der bis jetzt noch verbotenen Gewerkschaft aus. An Parteimitglieder in den Betrieben erging bereits mehrmals die Aufforderung, Versuche, Solidarnosc-Zellen zu gründen, bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen.

In einer ersten Reaktion auf diese Berichte sagte Walesa: „Ich betrachte dies als eine Provokation. Wenn sich das bestätigt, hat der runde Tische keinen Sinn. Ich jedenfalls werde mich nicht daran setzen.“ Man könne darüber reden, wie man Anarchie und Destruktion vermeiden könne, aber der Pluralismus dürfe nicht von vornherein in Frage gestellt werden.

Klaus Bachmann