Begräbnis eines „Monarchen“

Über 3.000 Trauergäste beim Staatsakt für Franz-Josef Strauß / Erlauchter Kreis von Wirtschaft, Adel und Klerus / Südafrikanischer Staatspräsident Botha saß immer in erster Reihe  ■  Aus München Luitgard Koch

Trotz Regen und Sturm drängt sich eine unübersehbare Menschenmenge vor dem Münchner „Liebfrauendom“. Die Polizisten verteilen Sterbebilder von Strauß mit der Münchner Mariensäule auf dem Deckblatt. Drinnen zelebriert Kardinal Friedrich Wetter das Pontifikalrequium für den toten Strauß. Lautsprecher übertragen die Messe auf den Vorplatz. „Er hat nicht nur Geschichte studiert, er hat Geschichte geschrieben“, predigt der Kardinal. Papst Johannes Paul II schickte ein Telegramm an die Versammelten und äußert „Herzliche Anteilnahme“.

„Seit 30 Jahren bin i CSU-Mitglied, aber fürn Dom hab i keine Kartn kriegt“, schimpft ein 52jähriger Bauarbeiter. „Da wolln's wohl bloß wieder die Großkopferten dabei habn“, vermutet er. Im Dom sitzt in der ersten Reihe neben Kohl und Weizsäcker der südafrikanische Staatspräsident Pieter Wilhelm Botha. „Seine Exellenz Staatspräsident W. Botha“, so die Aufschrift auf der Platzkarte im Herkulessaal in der ersten Reihe.

Die Landtagsfraktion der Bayerischen Grünen sagte wegen Botha ihre Teilnahme ab. Auch in der SPD-Fraktion gab es kurzfristig Überlegungen, ebenfalls fernzubleiben. Für ihren Boykott handelten sich die Grünen Medienschelte ein. „Grüne mißbrauchen den Staatsakt als ein Protestsignal“, tönte der rechtslastig-konservative „Münchner Merkur“. Der Chef des Blattes, Zeitungsverleger Dirk Ippen, ist natürlich unter den Trauergästen im Herkulessaal im inneren Zirkel. Die grüne Rathausfraktion entrollt im Marienhof ein Protesttransparent gegen den Apartheidchef. „Botha in München - Protest und Trauer um die Opfer der Apartheid“. Unter diesem Motto protestierten Mitglieder von amnesty international. Vom Kreisverwaltungsreferat war ihnen nach langem hin und her nur eine Mahnwache genehmigt worden. Allein 1987 wurden in Südafrika 164 Personen hingerichtet. Das ist die höchste Zahl seit der Staatsgründung. „In diesem Jahr sind es bisher 96 Todesurteile von denen wir wissen“, erklärt Annette Hohberg von ai.

„Wohl selten waren auf so engem Raum, soviele Menschen vereint, die in höchstem Maße attentatsgefährdet sind“, so der 'Münchner Merkur‘. Und auch der Protokollchef der Staatskanzlei Kurt Schelter erklärt: „Das übersteigt all das was wir bisher kannten“. Eine Gästeliste wird nur zur kurzen Einsicht an die Pressevertreter verteilt. Doch ein Blick in das begehrte Stück genügt, um festzustellen: hier ist Adel, Klerus und Wirtschaft versammelt. Von Fürst Castell vom Bayerischen Grundbesitzerverband, Graf Pückler nebst Gräfin, Otto von Habsburg geht die Liste bis zu Jean Pierson dem englischen Chef von Airbus, Eduard von Kuehnheim von BMW, Sepp Hort vom Rüstungskonzern MBB und dem apostolischen Nuntius und weiteren Kardinälen. Ihre violetten Käppis blitzen in den mittleren Reihen des Herkulessaal. Auch der Generalkonsul Chiles, Hans Zippelius ist unter den Trauergästen. Als Vertretung des verhinderten Pinochets?

Im Innenhof der Münchner Residenz steht ein grauer Mercedes. An seinem Kotflügel flattert ein rotes Fähnchen mit Hammer und Sichel. Zwei Lieferwagen von Feinkost-Käfer fahren durchs Tor. Sie sollen die engsten Familienmitglieder verköstigen. Was bayerische Medienpolitik leistet, wird auch bei der Trauerfeier demonstriert. Im den zwei Vorräumen des Herkulessaal, dort sitzen die „niederen Chargen“, sind an den Wänden Fernsehschirme zur Übertragung der Feier aufgebaut. Kondolenzbücher liegen auf Tischen mit schwarzem Tuch. Ein Bild zeigt Strauß in Trachtenanzug. „Sein irdisches Leben gehört seiner Familie und seinem Volk“, so der Text darunter, „sein ewiges Leben gehört Gott.“ Fotos mit Strauß‘ Anlitz finden reißenden Absatz, sie wurden den eingesetzten Polizisten von der Bevölkerung aus der Hand gerissen.

Längst ist die festgesetzte Zeit für den Beginn des Traueraktes überschritten. Erst eine halbe Stunde später haben alle Gäste ihre Plätze eingenommen. Plötzlich erhebt sich alles. Die Familie, Tocher Monika und die Söhne sowie Kanzler Kohl und der stellvertretende Ministerpräsident Max Streibl haben den Saal betreten. Das Orchester auf dem Podium beginnt mit der Ouvertüre von Beethoven. Im Anschluß daran rühmen der stellvertretende Ministerpräsident Bayerns, Max Streibl, Kanzler Kohl, Bundesratspräsident Vogel und Bundespräsident Weizsäcker den Verstorbenen.

Draußen säumen die Schaulustigen bereits die Ludwigsstraße, stellen sich die Gebirgsschützen in Positur. „Früher wäre ein solcher König gewesen“, meint einer von ihnen andächtig.