Tiefflieger müssen höher hinaus

Darmstädter Verwaltungsgericht untersagt Bundeswehrtiefflüge unter 300 Metern / Zur Aufrechterhaltung der Verteidigungsbereitschaft „nicht zwingend notwendig“ / Scholz und sein Ministerium schweigen sich aus  ■  Von Michael Blum

Darmstadt/Frankfurt (taz) - „Das Gericht ist nicht davon überzeugt, daß die Durchführung von Tiefflügen zu Übungszwecken im Bundesgebiet unterhalb von 300 Metern zur Aufrechterhaltung der Verteidigungsfähigkeit zwingend notwendig ist“, heißt es in einem am Donnerstag ergangenen Urteilsspruch des Verwaltungsgerichts (VG) Darmstadt.

Unter Vorsitz von Richter Dieter Emrich entsprach die dritte Kammer des VG Darmstadt großteils den Klagen des Landkreises Darmstadt-Dieburg und eines Privatmannes. In dem seit 1981 anhängigen Verfahren wollten die Kläger ein Überflugverbot erwirken: Der Landkreis für ein Krankenhaus, Professor Sauerwein für sein Privatgrundstück. Beide Liegenschaften dürfen nach dem Urteil von Strahlenflugzeugen der Bundeswehr nur noch in einer Mindestflughöhe von 300 Metern überflogen werden. Ein Antrag, durch den die Bundesregierung verpflichtet werden sollte, auch den Nato -Streitkräften entsprechende Tiefflüge zu untersagen, wurde vom Gericht vom Hauptverfahren abgetrennt und noch nicht entschieden. Gleichwohl rechnet die Kammer mit einer Berufung des Bundesverteidigungsministeriums vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof. SPD-Landrat Klein ist mit dem Urteil zufrieden: „Es ist ein erster wichtiger Schritt gegen den Tieffluglärm. Hessen sollte jetzt ein Überflugverbot für Schulen erwirken.“ Zudem sei jetzt der Gesetzgeber gefordert: Er müsse die Tieffliegerei endlich reglementieren.

Klaus Vack vom „Odenwälder Friedensforum“ beurteilt den Richterspruch als „Ermutigung für die TieffluggegnerInnen“. Ein Tiefflugverbot bis 300 Meter reiche jedoch bei weitem nicht aus. Forderung muß laut Vack ein Tiefflugverbot bis 700 Meter sein. Allein im Odenwaldkreis werden infolge des Richterspruchs KlägerInnen aus 15 Gemeinden vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt vorstellig werden. Während das Bundesverteidigungsministerium gestern keine Stellungnahme abgab, forderten Sozialdemokraten unter Bezug auf das neue Urteil den generellen Verzicht auf militärische Tiefflüge.

(AZ: Kreis Darmstadt-Dieburg 82781; Sauerwein 230582)