Nazi-Polizist Wagner schwer belastet

Jüdischer Augenzeuge im Nürnberger Nazi-Prozeß gegen den 82jährigen Wilhelm Wagner bezeugt, zwei Morde Wagners an Juden gesehen zu haben / Staatsanwalt ist sich „seiner Sache mittlerweile sicher“  ■  Aus Nürnberg Katrin Pfister

Die Beweislast im letzten Nürnberger Nazi-Prozeß gegen den 82jährigen Angeklagten Wilhelm Wagner hat sich weiter erhärtet. Die Aussagen eines jüdischen Augenzeugen haben den ehemaligen Nazi-Polizisten so schwer belastet, daß sich Staatsanwalt Schwalm „seiner Sache mittlerweile sicher ist“. Er wirft Wagner zweifachen Mord sowie einen Mordversuch vor, die er im August 1942 an polnischen Juden begangen haben soll. 26 weitere Mordanklagen ließ die Staatsanwaltschaft bereits im Vorfeld der Verhandlung fallen.

Die zweitägige Einvernahme des Zeugen Max Milner, der am Donnerstag aus Tel Aviv angereist kam, endete gestern mit der Vereidigung des Zeugen. Begonnen hatte sie mit einer Taktlosigkeit des Verhandlungsleiters. Richter Manger schlug dem schwerhörigen Angeklagten vor, direkt neben dem Zeugen Platz zu nehmen. Ein Ansinnen, das Milner prompt zurückwies: „Neben diesem Mann möchte ich nicht sitzen.“ Zu gut kann er sich an die „Aussiedlungsaktion“ erinnern, mit der seine Heimatstadt Wieliczka „judenrein“ gemacht werden sollte und an der der ehemalige Polizist Wagner aktiv beteiligt war.

Am 27. oder 28. August 1942 erging an alle Juden der Befehl, sich am Bahnhof einzufinden. Dort, so Milner, seien die alten und kranken Juden selektiert worden, die man sofort im nahegelegenen Wald erschossen habe. Andere wurden ins Vernichtungslager Belcek transportiert. Wagner habe während dieser Aktion am Bahnhof gestanden und bestimmt, „die rechts, die links, die nach vorn“. Er selbst sei als arbeitsfähig eingestuft und verpflichtet worden, die Habseligkeiten aus den Häusern der deportierten Juden zusammenzutragen. Dabei habe er auch gesehen, wie der Angeklagte den bettlägrigen Uhrmacher Sobel erschossen habe.

Auch den Mord an einer älteren Jüdin, der Wagner zur Last gelegt wird, kann Milner bezeugen: „Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie Wagner geschossen hat“, erinnert sich der Zeuge, der damals 16 Jahre alt war. Den Angeklagten beschreibt er als einen Mann, „vor dem sich alle gefürchtet haben“.

Gerichtsprotokolle aus früheren Vernehmungen - gegen Wagner wird seit 22 Jahren ermittelt - bestätigen die Aussagen des Zeugen, die sich der Angeklagte am Donnerstag noch völlig ungerührt angehört hatte. Das erste Mal zeigte Wagner Anzeichen von Unruhe, als das Gericht erkennen ließ, daß es nicht an der Glaubwürdigkeit des Zeugen zweifelt. Die Versuche des Pflichtverteidigers Schußmann, in unwesentlichen Details Differenzen zu früheren Aussagen zu bemühen, wurden vom Vorsitzenden Manger schließlich als „völlig unwesentlich“ vom Tisch gewischt.

Wagner selbst, der während der gestrigen Verhandlung permanent den Blickkontakt zu seiner Tochter im Zuschauerraum suchte, nennt die Aussagen des Augenzeugen „von A bis Z erlogen“.

Richter Manger scheint das anders zu sehen. Die Beweisaufnahme wird am kommenden Mittwoch, dem 12.Oktober, abgeschlossen. Für diesen Termin erwartet das Gericht noch einen weiteren Zeugen aus Israel.