Schlappe Kicker, rege Phantasien

■ Warum kann Werder Bremen nicht mehr gewinnen? / Willi Lemke startet Ratespiel, und alle machen mit / Wedemeier setzt auf Bonn und Fans auf ihre Fäuste

Ein neues Gesellschaftsspiel kommt in Mode. Wenn es auf dem grünen Rasen nicht mehr so gut läuft, inszeniert Werder Bremen Ratespiele sind für das geneigte Publikum. Wir erinnern uns: Im August fragte Manager Willi Lemke: „Wo sind die Zuschauer geblieben?“. Das einsetzende

Suchspiel bewegte Politiker, Journalisten, Fans. Kurz: Alle gesellschaftlichen Gruppen beteiligten sich. Werders Präsidium schien das Spiel nicht mehr in Griff zu behalten. Da brach Vize-Präsident Fischer das Rätselraten in buten&binnen einfach ab und verkündete: „Sie werden wieder kommen.“ Und um als Prophet etwas zu gelten und nicht gleich widerlegt zu werden, sandte er Zehner-Packs mit Eintrittskarten für das Europacup-Spiel gegen Dynamo Berlin an Fußballvereine, Parteizentralen, gesellschaftlichen Organisationen; an alle also, die an dem Suchspiel teilgenommen hatten.

Das neueste Suchspiel setzte Willi Lemke nach dem St.-Pauli -Spiel (0:0 am Samstag) in die Welt: Das „Wie-kann-unser -Spiel-wieder-besser werden-Rätsel.“ Kaum stand die Frage im Raum, teilte sich die Prominenz in Rategrüppchen auf. Politiker zog es gleich nach dem Spiel zu SPD-Chef Herbert Brückners Geburtstags-Rate-Fest. Politisch, so tippte man dort, sei Werder vom rechten SPD-Kurs abgekommen: „Tun Sie was dagegen, Herr Böhmert, Herr Fischer, Herr Lemke“, lautete die allgemeine Forderung.

Die Herren von Kicker, Mor

genpost und Bild-Bremen mußten das kalte Buffet sausen lassen, um in einem Speiselokal italienischer Provunienz festzuhalten: Werder läßt sich einfach nichts Neues mehr einfallen. Immer nur Essen von plaza und Comet. Viel zu wenig Park-Hotel oder Grashoff.

Werders Ost-Kurven-Fans flohen aus ihrem Frust kurzentschlossen in bierselige Ratetrupps: die Fraktionen „Schwarze Sau“, „Otto raus“ und

„Wir wollen Rudi wieder“, lieferten sich bald harte Faustkämpfe, deren Ergebnis bis Redaktionsschluß aus dem städtischen Zentralkrankenhaus nicht zu erfahren waren.

Anders die braun-weißen St.-Pauli-Fans. Sie bildeten schon im Stadion eine tausendköpfige Rate-Runde, die sich schnell einig wurde: „Hi-ha-ho, Werder ist k.o.“, und „St.Pauli für Deutschland.“ Solch braun-gesprenkelten Töne schlugen die wenigen, nicht in der südlichen Sonne liegenden Fans aus der Lehrerszene schnell in die Flucht. „Die müssen ihre Überheblichkeit ablegen“, wurde als Fazit am Sonntag mittag nach dem obligatorischen Freizeitkick festgehalten.

Spätestens als Bürgermeister Wedemeier wieder mehr Geld aus Bonn anmahnte, merkten Willi Lemke und Vize-Präsident Fischer, daß ihnen die Spielregie aus den Händen geglitten war. Kurzerhand bildeten sie eine Dreier-Gruppe mit einem sozialdemokratischen Sport-Löwen und orderten reichlich Bier. Das Kommunique, das Anfang der Woche veröffentlicht werden soll, wurde gestern nachmittag bekannt: „Es muß und es wird etwas passieren. Wir werden auch wieder besser spielen.“

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