Virtuoser Boy from the Country

■ Leo Kottke spielt heute abend um 20.00 Uhr im bestuhlten Modernes / Folkgitarrist macht einen fulminanten Zug durch die Stilrichtungen / Altmeister des Flaschenhalses

„It's from a great bottle with a lousy wine“, erklärte Leo Kottke irgendwann in den frühen siebziger Jahren in der ausverkauften Glocke zu Bremen die Herkunft des Flaschenhalses an seinem Finger (der Wein war natürlich aus Kalifornien). Und was er damit anstellte, war zu der Zeit sensationell: keiner beherrschte so vollendet wie er die „bottleneck„-Technik, keiner konnte die zwölfsaitige Gitarre so fulminant klingen lassen. Kottke stand in einer Reihe mit den Gitarrenvirtuosen, die zu dieser Zeit das Publikum faszinierten - z.B. die Jazzer John McLaughlin, Larry Coryell und Ralph Towner - aber er kam aus einer ganz anderen Ecke.

Kottke gehört zur Folkszene

und präsentiert sich auf der Bühne sehr „down to earth“, ein wenig wie ein netter Bursche vom Land, der in Städten nur zu Besuch ist. Seine Musik ist dagegen überraschend „sophisticated“: eine Mischung aus Folk, Blues und Bluegrass, Pop, Jazz und Anleihen bei der Klassik. Aus all diesen Stilrichtungen bastelt sich Kottke seine Stücke zusammen, und es paßt dann auch ganz prächtig zueinander.

Vor etwa zehn Jahren erreichte Kottke den Höhepunkt seiner Karriere. Danach wurde es auf dem Markt ruhiger um ihn, aber viele jüngere Gitarristen aus ganz unterschiedlichen musikalischen Lagern berufen sich auf seinen Einfluß, und als Kottke im letzten

Jahr im Modernes auftrat, hörte ich von meinen musikmachenden Freunden nur, daß ich da nun wirklich ein tolles Konzert verpaßt hätte.

Auch wenn er mit „Linda Ronstadt“ oder „Procol Harum“ zusammenspielte - Leo Kottke ist in erster Linie ein Solo -Performer. Damals in der Glocke macht er das ganze Konzert über nicht einen Fehler. Der letzte Ton bei der letzten Zugabe war dann ein lauter, satter Missklang - es war, als wollte Kottke keinen ganz perfekten Set spielen: das könnte Unglück bringen. Man achte also heute abend auf diesen absichtlich falschen Ton, der besagt, daß alle übrigen richtig waren.

Willy Taub