War's das, isses das?

■ Zehn Jahre AL: Jede Menge An-Sichten, Einsichten, Verwünschungen und Meinungen über die „anderen“ Jubilare

Uwe Abraham,

Mitgründer des Metallkollektivs „KoMet“, heute selbständiger Kleinunternehmer in Kreuzberg:

Ich bin ganz überrascht, daß die schon zehn Jahre alt ist, irgendwie ist das alles an mir vorbeigegangen. Die AL ist eine wichtige und sinnvolle Partei. Das merke ich immer dann, wenn es Sachen gibt, wo ich nichts mache und die einzige, die was macht, ist die AL.

Rainer Esche,

erster Pressesprecher der AL, Parteiaustritt 1987:

Geburtstagswünsche? Also das ist für mich wirklich schwierig. Ich gehöre ja zu denen, die viel Zeit und Energie darauf verwendet haben, die Partei mit aufzubauen. Nach der K-Gruppenzeit war für mich die AL der letzte Versuch, linke Politik zu machen. Es gab keine Denkverbote und Ansätze einer neuen politischen Kultur. Das ist jetzt völlig im Eimer. Das Projekt AL und Grüne ist objektiv immer noch bedeutend, weil zum ersten Mal seit Bestehen der BRD die Linke in der Lage gewesen ist, relevanten gesellschaftlichen Einfluß zu nehmen. Heute befinden sie sich unaufhaltsam auf dem Weg ins Sektierertum. Insofern kann ich der AL gar nichts wünschen. Heute feiern die längst obsoleten Gemeinplätze linker Politik fröhliche Urständ. Politisch ist die AL keine ernst zu nehmende Kraft mehr.

Dr. Ekkerhard Wruck,

CDU-Abgeordneter:

Zehn Jahre sind für eine Partei ja keine bemerkenswerte Zeit. Doch dafür, daß die AL bei ihrer Gründung von vielen nur als Eintagsfliege eingeordnet wurde dann doch. In den Gründerjahren warf die AL interessante Fragen auf, zum Beispiel, was den Umweltschutz betrifft. Jetzt scheint sie sich zu den wesentlichen Fragen nicht mehr zu äußern und beraubt sich ihrer parlamentarischen Einflußmöglichkeiten. Neben einem Mangel an intellektueller Potenz hat die AL den Linksradikalismus als Kinderkrankheit noch nicht überwunden. Sie muß aufpassen, daß sie nicht zur Sektiererpartei wird. Es gab in der Vergangenheit sicherlich Personen in den AL Fraktionen, die parlamentarisch Beachtliches geäußert haben.

Klaus Landowsky,

Generalsekretär der CDU:

Zehn Jahre AL sind ein Nachweis für zehn Jahre intellektuelle Dürre der SPD, linke Politik zu formulieren. Zehn Jahre AL, das sind zehn Jahre lang häufig richtige Fragen, von der Umweltpolitik bis hin zur Frage des Einflusses des Staates über den Einzelnen. Aber auch zehn Jahre häufig falsche Antworten. Zehn Jahre AL ist aber auch zehn Jahre abseits von den demokratischen Parteien, weil die AL als einzige Partei nicht auf die Anwendung und Tolerierung von Gewalt verzichtet hat. Die AL hatte durchaus gute Leute im Parlament. Ich nenne da bloß Frau Bischoff -Pflanz und Frau Künast. Aber die AL hat natürlich durch die Rotation einen Qualitätsverlust erlitten. Es gab häufig Diskussionen, wo sich die intellektuelle Auseinandersetzung zwischen CDU und AL abgespielt hat, wo die SPD außen vor blieb. Die einzige Herausforderung für die CDU war die AL. Außer uns und der AL hat keine Partei Zukunftsvisonen.

Hans Halter,

Reporter des 'Spiegel‘ in Berlin:

Jetzt, wo die AL bald in die Pubertät kommt, soll sie mindestens halbstark werden und darauf hoffen dürfen, daß wahr bleibt, was im Poesiealbum versprochen wird: Wenn alle Ketten reißen, wenn jedes Herz zerbricht, wenn alle dich verspotten, die taz vergißt dich nicht.

Norbert Meisner,

umweltpolitischer Sprecher der SPD:

Ich wünsche mir entweder, sie soll ihre Kinderkrankheiten behalten, dann aber auch den Sturm und Drang der früheren Jahre wiederfinden. Oder aber sie soll endlich erwachsen werden. Es gab immer mal wieder Zeiten, wo die SPD-Linke mit dem Druck der AL was in der eigenen Partei verändern konnte, wo die SPD Themen, die die AL aufgegriffen hat, einfach angehen mußte. Das wird immer weniger. Die Zeiten, in denen Jähnicke den Umweltschutz vertreten hat, die sind eben vorbei. Wenn die AL eine parlamentarische Kraft sein will, muß sie auch zu einer bindungsfähigen Partei werden, einer Partei, die Kompromisse schließen kann. Sonst wird einfach ein Großteil der Wählerstimmen aus der Machtbalance ausgegrenzt.

Kurt Jotter,

Büro für ungewöhnliche Maßnahmen, Kreuzberg:

Zum Zehnjährigen kann ich der AL nur wünschen, daß sie dieses Jubiläum zum Anlaß nehmen möge, sich wieder auf ihre Gründungskonzeption zu besinnen und sich nicht weiterhin so schamlos vom Parlamentarismus verarschen zu lassen.

Die Geburtstagswünsche sammelte

Brigitte Fehrle