Mein Heim ist meine Burg - und mein Ruin

■ Der Traum vom eigenen Haus oder der Eigentumswohnung als sichere Kapitalanlage und Schutz vor Vermieterärger wird schnell zum Alptraum / Private Pleiten haben sich versechsfacht / Grund ist oft eine unzulängliche Beratung der Baufinanzierung durch die Banken

Als Bundesbauminister Oscar Schneider (CSU) Ende September die Zahl der Wohnungsbaugenehmigungen bekannt gab, strotze er vor Zufriedenheit: „9,9 Prozent Zuwachs allein in den ersten sieben Monaten des Jahres.“ Der deutliche Anstieg betrifft allerdings nicht den darbenden Mietwohnungs-Neubau, sondern von Eigentumswohnungen und Eigenheime. Und was da die Bonner unter dem Rubrum „Privatinitiative zur Erreichung der wohnungspolitischen Ziele“ mit Verve kultivieren, bringt ahnungslose Häusle-Bauer gleich reihenweise um Glück und Geld.

Die bundesrepublikanische Gerichtsstatistik vermeldet derzeit jährlich 70.000 Fälle von Zwangsversteigerungen und

-verwaltungen. Auch in Berlin sind 1986 1.600 Objekte unter den Hammer gekommen, 1.000 weitere in Zwangsverwaltung überführt worden. Die privaten Pleitegänge haben sich in Berlin in nur fünf Jahren versechsfacht.

Der Böblinger „Schutzgemeinschaft gegen unlautere Baufinanzierung e.V.“ waren diese Zahlen Anlaß, den Berliner Markt der Baufinanzierungen auf Herz und Nieren zu untersuchen. Ihre Erfahrung: Fast alle, die mit ihren Eigentumsplänen baden gehen, waren von den Banken schlecht, wenn nicht falsch beraten.

Der westdeutsche Baufinanzexperte Dieter Peglow machte sich im Auftrag der „Schutzgemeinschaft“ auf nach Berlin und gab sich bei 15 verschiedenen Kreditinstituten als ratsuchender Bauwilliger aus. Ausgangspunkt der Beratungsgespräche war in allen Fällen ein Bauvorhaben mit zuvor schon errechneten tatsächlichen Gesamtkosten von 740.000 Mark. Die monatliche Dauernettobelastung hätte - seriös finanziert - 2.231 Mark betragen. Das Ergebnis des Berliner Feldversuches der „Schutzgemeinschaft“: Nicht ein einziger Berater ermittelte die korrekten Zahlen.

Die Sündenliste im einzelnen:

-Auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme zinsgünstiger Paragraph 17-Berlinförderungsdarlehen wurde nur bei den drei Banken hingewiesen, die solche Mittel selbst vergeben.

-Die von Hand gefertigten Beratungsunterlagen zeigten in aller Regel nur die Anfangsbelastungen. Die Situation nach dem Wegfall der staatlichen Förderung nach 15 Jahren, die in der Regel mit einem enormen Belastungsanstieg verbunden ist, wurde nur in einem Fall von der EDV einer Bank ausgedruckt. Andere EDV-Ausdrucke endeten stets beim 15. Jahr (der Schuldenplan geht allerdings in der Regel über 30 Jahre).

-Die Gesamtkosten der Finanzierung wurden höchst unterschiedlich angegeben. Die niedrigste: 550.000 Mark. Monatliche Belastung: 3.249 Mark. Das höchste Ergebnis: 700.000. Dafür wollte die Bank dem Darlehensnehmer im ersten Jahr 1.100 Mark monatlich abnehmen. Wie die Zahlen zeigen: In keinem Fall wurde das allein korrekte Ergebnis von 740.000 ermittelt.

Ein besonders krasses Beispiel, das aufzeigt, wie manch Bauwilliger geradezu in den Bankrott getrieben wird: Bei einer Beratung ergab die monatliche Belastung des Hauskaufs im ersten Jahr 578 Mark - klar, da wird jeder gern Hausbesitzer. Bis zum 15. Jahr - auch das vielleicht noch erträglich - stieg die Belastung auf 1.831 Mark. Ab dem 16. Jahr wäre die Monatsbelastung sprunghaft auf 3.616 Mark angestiegen.

Daß viele Bundesbürger die eigenen vier Wände anstreben (Infratestumfrage: 80 Prozent), hat mancherlei Gründe: Schutz vor Mieterhöhungen und Kündigungen, Schluß mit Abhängigkeiten, ausreichend Platz für die Kinder und Sozialprestige, vor allem aber: 82 Prozent der Deutschen glauben, der eigene Herd sei eine „sichere Geldanlage“.

Der Berliner Finanzmarkler Günter Freye zur selbstgenutzten Wohnung als lukrative Kapitalanlage: “... der allergrößte Schwachsinn.“ Millionär Freye wohnt zur Miete.

H&H