Mit direktem Griff zur Krankenschwester

■ Nicht nur im Krankenhaus dienen Krankenschwestern als Sexualobjekt für Patienten und Ärzte / Auch bei der ÖTV-Mahnwache wurden sie sexuell belästigt / Öffentlichkeit und Medien fördern das Bild der allzeit bereiten Pflegerin

„Wenn du die Beine breit machst, kriegst du auch 'ne Unterschrift“, 'witzelte‘ ein Passant gegenüber einer Schwesternschülerin letzte Woche bei der Mahnwache der ÖTV gegen Pflegenotstand. Hätte sie mit einer solchen Situation rechnen müssen, wenn sie spätabends auf der Straße Unterschriften sammelt? Die Angelegenheit hatte noch ein Nachspiel: Ein ÖTV-Kollege, der von dieser „Anmache“ erfuhr, erzählte die Geschichte laut Angabe einer Schwester grinsend weiter - und dichtete selber noch einen Großteil dazu.

Anlaß genug für einige Schwestern, gegenüber der taz über permanente sexuelle Belästigung, der sie auch im Dienst ausgesetzt sind, zu erzählen. „Ich arbeite auf einer chirurgischen Station. Oft liegen bei uns junge Männer, die sich aufgrund diverser Knochenbrüche alleine nicht mehr waschen können. Wenn ich das dann mache, kommen solche Sprüche wie 'Machen Sie weiter, es ist grad‘ so schön!'“

Kein Einzelfall. Wie eine andere erzählte, langen die Patienten auch mal kurzerhand unter den Kittel. „Sie haben dann anscheinend das Gefühl, sie seien wieder gesund.“

In der Juni-Ausgabe der Krankenpflegezeitschrift 'Die Schwester/Der Pfleger‘ heißt es unter dem Punkt „Qualitätsstandards“: „Seien Sie aufgeschlossen und legen Sie eine positive, hilfsbereite Einstellung an den Tag gleich wie herausfordernd oder unangemessen die Forderungen (der Pateinten) erscheinen.“

Aufgeschlossen und hilfsbereit - professionelle Wärme gehört zu den erwünschten Eigenschaften einer Krankenschwester. Wenn sie den Patienten versorgt, bettet, wäscht und einreibt, muß sie ihn auch trösten, freundlich anlächeln und aufmuntern. Da sitzt sie dann auch mal am Bett eines Patienten, um sich seine Eheprobleme anzuhören - und wird im gleichen Atemzug aufgefordert, es doch selbst mal mit ihm zu versuchen.

Krankenschwester als Objekt der Begierde - von einschlägigen Medien wird diese Auffassung noch unterstützt. „Schwester lag beim Patienten im Bett“, titelte ein Boulevardblatt vor ein paar Wochen und in der allseits beliebten Fernsehserie „Schwarzwaldklinik“ sah man adrette, hübsche Schwestern, die den ganzen Tag nichts anderes zu tun haben, als sich zu schminken, den Kittel glatt zu streichen und mit dem „schönen“ Stationsarzt zu flirten.

Völlig abstrus, meinte Schwester Petra im Gespräch mit der taz. „Wenn ich lieb und freundlich bin, gehört das zu meinem Beruf - mehr nicht.“ Dazu gehört es auch, den Patienten in den intimsten Situationen zu sehen. „Aber von Begierde kann da nicht die Rede sein - im Gegenteil. Ich finde es ekelhaft, wenn Patienten meinen, ich sei auch für ihr Sexualleben zuständig!“

Eine Schülerin erzählte, sie sei mal von einem 56jährigen Patienten im Fahrstuhl auf den Schoß gezogen worden - „ich habe so lieb ausgesehen, meinte er.“ Wenn sich die Schwestern bei Pflegern und Ärzten über ein solches Verhalten beschweren, haben sie meist wenig Erfolg. Das Bild der aufreizenden Schwester, die das doch selbst provoziert, sitzt tief. „Viele Ärzte machen da doch selber mit. Sie glauben anscheinend, bei den Schwestern im Krankenhaus fänden sie mal schnell was fürs Bett und dann prahlen sie damit, wen sie mal wieder flachgelegt haben.“

Angebote zum Gruppensex, schlüpfrige Andeutungen von seiten des Stationsarztes - das ist für die Schwestern nichts Neues. Jetzt, sagen sie, reicht es ihnen. „Wenn ich schon so einen Roman sehe: 'Unter den Blicken des Arztes schmolz Schwester Anna dahin‘ - so ein Quatsch!“ Was sie nun dagegen unternehmen wollen, wissen sie jedoch noch nicht. Auch die Gewerkschaft hält sich da äußerst bedeckt. Petra: „Als doofe Krankenschwester nimmt dich doch sowieso keiner ernst.“

Martina Habersetzer