Chile: Jagd auf Journalisten

Insbesondere Auslandskorrespondenten von der chilenischen Polizei gezielt zusammengeschlagen / Demonstrationen mit Wasserwerfern und Tränengas aufgelöst  ■  Aus Santiago Thomas Schmid

Als am späten Freitagabend im Zentrum von Santiago de Chile gezielt an die 20 Journalisten, vorwiegend Auslandskorrespondenten, von Polizei und Agenten in Zivil zusammengeschlagen wurden, war das Feld längst bereitet. Von „Reportern und anderen Untermenschen“ hatte jüngst Admiral Merino, Oberkommandierender der Marine und Mitglied der Militärjunta, gesprochen. Verteidigungsminister Carvajal versucht zumindest zu differenzieren. Die Chilenen unter den Journalisten, sagte er öffentlich, erkenne man daran, daß sie anständig gekleidet seien. Und Diktator Pinochet selbst macht in regelmäßigen Abständen die Auslandsjournalisten für das schlechte Image verantwortlich, das Chile - womit er wohl sein Regime meint - jenseits seiner Landesgrenzen habe.

Immer wieder wurden die angereisten Journalisten von Freunden gewarnt, daß sie nach dem Plebiszit auf sich aufpassen sollten.

Schon am Donnerstag, einen Tag nach dem Urnengang, wurden sechs Medienvertreter Opfer polizeilicher Übergriffe. Doch richtig los ging es dann am Freitag. Im Anschluß an das „Fest der Demokratie und Versöhnung“ im großen O'Higgins -Park, wo etwa eine halbe Million ihren Sieg über Pinochet feierte, kam es - wie schon am Vortag - zu Demonstrationen in der Innenstadt von Santiago. Ein riesiges Polizeiaufgebot sperrte den Präsidentenpalast großräumig ab. Mit Tränengas, Wasserwerfern und Gummigeschossen wurden alle Menschenansammlungen in kurzer Zeit aufgelöst.

Gezielt wurden Auslandskorrespondenten und auch einige chilenische Journalisten, oft fernab des Demonstrationsgeschehens, regelrecht überfallen und zusammengeschlagen. Einige mußten in Krankenhäuser eingeliefert werden. Der afp-Fotograf Cristobal Bouroncle torkelte um 21.10 Uhr mit blutüberströmtem Gesicht am zentral gelegenen Hotel Carrera vorbei, wo ein spanischer Journalist, der ebenfalls zusammengeschlagen worden war, gerade eine Pressekonferenz über die Angriffe auf Reporter organisierte. Dort erzählten einige der Opfer, daß sie gehört hätten, wie Offiziere und Unteroffiziere den Carabineros ihrer Truppen präzisen Befehl zum Überfall erteilt hätten. Andere berichteten davon, daß sie den Polizisten ihre Akkreditierung bei der chilenischen Regierung vorgewiesen hätten, dann aber erst recht verprügelt worden seinen. Unter den Opfern befinden sich auch zwei Journalisten des Regierungsblattes 'El Mercurio‘.