Mit Gaspistolen gegen Türken

In Hannover prügelten sich rechtsextreme Skinheads am Wochenende mit jugendlchen Türken / Verletzte auf beiden Seiten / Polizei und Stadtrat machtlos / FAP als Drahtzieher / Fußballfanprojekte in Gefahr  ■  Von Stefan Schellenberg

Hannover (taz) - In der Innenstadt von Hannover ist es am Wochenende wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Skinheads und türkischen Jugendlichen gekommen. Die Polizei versuchte vergeblich, ein Aufeinandertreffen der gegnerischen Gruppen zu verhindern. Es gab mehrere Verletzte auf beiden Seiten.

Schon seit über einem Monat kommt es besonders an den Wochenenden in Hannovers Fußgängerzone zu Straßenkämpfen zwischen Neonazis und Ausländergruppen. Orte der Schlägereien sind meist die Eingangsbereiche der Skinhead -Discos „Disco Duck“ und „Checkers“. Mit Baseballschlägern, Leuchtraketen und Gaspistolen machen rechtsradikale Schlägertrupps Jagd auf Türken und linke Deutsche. Mittlerweile waren eine Reihe Krankenhausaufenthalte und vorübergehende Festnahmen mit Ermittlungsverfahren die Folge.

Seit einiger Zeit mischen sich auch antifaschistische Gruppen in die Auseinandersetzung. Unter dem immer wieder skandierten Motto „Nazis vertreiben - Ausländer bleiben“ entwickelten sich mehrere Spontandemonstrationen, zu dem ein Bündnis linker Gruppen aufgerufen hatte. So bekundeten jüngst 200 Antifaschisten ihre Solidarität mit den angegriffenen Türken.

Die neu entbrannten Kämpfe sind eine Entwicklung, die mit der Kandidatur der rechtsradikalen „Freiheitlichen Arbeiterpartei“ (FAP) im Kommunalwahlkampf 1986 angefangen hatte. Mitglieder der FAP verprügeln seither regelmäßig Ausländer und überfallen Kneipen. Gerade erst feierten die als Hilfsgarde der FAP agierenden Skinheads mit Sekt und neuen Schlägereien ihren Freispruch im Prozeß um den von ihnen vor zwei Jahren zerlegten Negertreffpunkt „Exil“. Die FAP und ihre militante Abspaltung „EK 1“ verübte in der Vergangenheit mehrere Brandschläge und einen Überfall auf ein Waffengeschäft. Wie sich später herausstellte, geschahen die Aktionen teilweise mit Wissen des niedersächsischen Verfassungsschutzes. Seitdem vorwiegend Autonome im vergangenen Sommer die Gebäude der ehemaligen Sprengelfabrik besetzten, wurden sie regelmäßig von Neonazigruppen bedroht. Für einen Punk endete das Aufeinandertreffen lebensgefährlich mit einem Messer im Rücken. Im Jugendausschuß des Stadtrates wurde zwar beschlossen, zu dem Thema eine Anhörung zu veranstalten. Doch Projekte wie das hannoversche „Pen-Projekt gegen Gewalt in Fußballstadien“ müssen nach wie vor um ihre finanzielle Existenz bangen.

Selbstsicher erklärte der CDU-Sozialdezernent, Ernst August Schäfer, kürzlich: „Es ist keinesfalls so, daß die Ereignisse der letzten Wochen das Jugendamt aus einem Tiefschlaf gerissen hätte.“ Im neuesten Jugendpflegeplan ist die Problematik dem Jugendamt allerdings nur eineinhalb Seiten wert.