Steuerhinterzieher steuert FDP

Lambsdorff siegt knapp über Adam-Schwaetzer bei Wahl zum FDP-Parteivorsitz / Programmatische Leere beim Parteitag / CDU und CSU erfreut, SPD kritisch und die Grünen gratulieren ganz treffend  ■  Aus Wiesbaden Oliver Tolmein

Allgemeinplätze und Absichtserklärungen prägten die erste Rede von Otto Graf Lambsdorff nach seiner Wahl zum Bundesvorsitzenden. Auf dem direkt im Anschluß an den Bundesparteitag durchgeführten Europatag seiner Partei versicherte Lambsdorff, die FDP sei nicht „europamüde“ und hoffe darauf, bei der Europawahl am 18.Juni 1989 wieder ins Europäische Parlament zurückkehren zu können (1984 hatte sie nur 4,9 Prozent der Stimmen erhalten).

Die Rede dokumentierte vor allem, daß nach der Wahl Lambsdorffs zum Parteivorsitzenden die Spannung aus dem Parteitag raus war. Aber auch die Wahl selber hatte bei aller Ungewißheit über den Ausgang wenig Aufbruchstimmung vermittelt. Lambsdorffs Selbstanpreisung war zwar rhetorisch gut aufbereitet, aber weder sein Plädoyer für eine Verstärkung des kommunalpolitischen Engagements, noch seine Bekundung, sich für die Zukunft der Rentenversicherung zu interessieren oder sein Bekenntnis zum Umweltschutz ließen neue Akzente auch nur erahnen. „Es wird sich nichts Sensationelles in der Partei verändern“, betonte er dann auch nach der Wahl in einem kurzen Gespräch mit JournalistInnen.

Irmgard Adam-Schwaetzer stand ihrem Kontrahenten in puncto allgemeiner Erklärungen in nichts nach - trug allerdings um Grade langweiliger vor. So läßt sich auch das knappe Ergebnis (211 für Lambsdorff, 187 für Adam-Schwaetzer) erklären: es fand in Wiesbaden tatsächlich eine Personen und keine Richtungswahl statt. „Das ist ein Sieg Fortsetzung auf Seite 2

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für uns alle“ behauptete der Graf direkt nach der Auszählung - und tatsächlich zog Frau Adam-Schwaetzer mit einem hervorragenden Ergebnis (355 Ja, 31 Nein) als stellvertretende Bundesvorsitzende ins FDP-Präsidium ein. Neue Generalsekretärin der FDP wurde auf Vorschlag von Lambsdorff die West-Berliner Jugendsenatorin Schmalz -Jacobsen. Verabschiedet wurde auch ein Antrag, für aus Südafrika importierte Waren eine Kennzeichnungspflicht und für Südafrikaner eine Visumspflicht einzuführen.

Den einzigen Beschluß, der für etwas Koalitionsturbulenzen sorgen wird, faßte die Partei schon am Freitagabend: Sie sprach sich gegen die Erdgassteuer aus. Lambsdorff will darüber erneut mit der CDU/SU verhandeln.

Wiesbaden (dpa) - Bundeskanzler Kohl und CSU -Landesgruppenchef Waigl begrüßten die Wahl Lambsdorffs, SPD -Bundesgeschäftsführerin Anke Fuchs kritisierte, mit der Wahl des Grafen habe bei der FDP eine „Politik der Marktmilitanz und sozialen Gleichgültigkeit gesiegt“. Die Fraktionssprecherin der Grünen, Christa Vennegerts, sandte ironische Glückwünsche und schrieb, der „notorische Steuerhinterzieher“ Lambsdorff habe nun Gelegenheit, sich im Chefsessel der FDP „in Ruhe zu resozialisieren“.