Der Sieger war Peter

■ Und die Medien waren dabei: Nachtrag zum Berlin-Marathon

Zielraum des Berlin-Marathons: Ein hagerer Mann, etwa Mitte 20, läuft ein. Er trägt schulterlange, schwarze Haare, unter denen sich die Startnummer11.498 verbirgt, und zeigt keinerlei Anzeichen von Erschöpfung. Sein Weg führt ihn direkt zu einem Imbißstand, wo er eine Currywurst und ein Bier bestellt. Ein Heinz vom SFB stürzt vor die Kamera.

Heinz vom SFB : „Das ist ja großartig, Damunherrn, der erste Läufer ist soeben eingetroffen, und auch noch in der fantastischen furiosen Wahnsinnsweltrekordzeit von 1:51. Ein Mann, den keiner kennt, den keiner auf der Rechnung hatte, und ich, der Heinz vom SFB, habe die Ehre, ihn erstmals einem Millionenpublikum vorzustellen!“

Die Kameras schwenken. Der Heinz vom SFB wendet sich zur Imbißbude, versucht ein gönnerhaftes Grinsen.

„Herzlichen Glückwunsch, junger Mann, wie fühlt man sich, so kurz nach dem Vollbringen einer solchen Sensation?“

Nr. 11.498 (Schmeißt ihm seine fettigen Haare entgegen und schwängert die Luft mit einem ausgedehnten Schultheißrülpser): „Sensation, wieso, wo?“

Heinz vom SFB: „Na ja, wie, äh achja... kein Experte kannte bislang auch nur Ihren Namen. Sie haben sich bestimmt geheim vorbereitet? Höhentrainung in Mexiko vielleicht?“

Nr. 11.498: „Na, so vorbereitet habe ich mich schon. Letzte Woche, ich glaube Donnerstag war's, da bin ich doch glatt zwei Runden durch die Hasenheide gehoppelt...“

Heinz vom SFB: „Sie brauchen den Zuschauern Ihr Trainingsgeheimnis nicht preiszugeben. Aber eines würden wir doch gerne erfahren: Man kennt Sie vielleicht aus anderen Sportarten?“

Nr. 11.498 (begeistert): „Ja, 'türlich! Ich kicke seit sieben Jahren in der 4. Mannschaft der Betriebssportgemeinschaft BSR. Und Samstags auch manchmal mit Kumpels vorm Reichstag. Da ham mich bestimmt schon welche gesehen!“

Heinz vom SFB: „Wie ist eigentlich ein, das darf ich doch jetzt vermuten, Hobbysportler wie Sie zum Marathon gekommen? Wie haben Sie Ihre enorme Leistungsfähigkeit erreicht?“

Nr. 11.498: „Oh, 'ne ganz schön lange und schwierige Frage

-auch n‘ Schluck? Also gelaufen bin ich wegen so 'ner Kneipenwette vor zwei Wochen, eine Kiste 'Lütter und Weniger‘ stand auf dem Spiel. Zuerst hab‘ ich ja gedacht, nee, hab‘ ich gedacht, is‘ mir doch zu anstrengend, aber wie ich heute morgen aus der Bierhalle kam, an der Badstraße, da hab‘ ich mich doch zum Laufen entschlossen. Startgeld war ja schon bezahlt.“

Im Hintergrund stolpert der marokkanische Weltklasseläufer Don-el-Daq als Zweiter ins Ziel. Er bricht zusammen und muß künstlich beatmet werden. Nr.11.498 ordert jetzt Weinbrand, während der Heinz vom SFB mit Tränen in den Aufen verloren herumsteht, sich dann noch einmal einen Ruck gibt.

Heinz vom SFB: „Wie heißen Sie nun eigentlich?“

Nr. 11.498: „Peter, ich heiße Peter.“

Uli Hannemann