Ciao Italia

■ Die Frankfurter Buchmesse ist zu Ende

Frankfurt (taz) - Umberto Eco ist abgereist, die Galadiners der großen Verlage sind verdaut, die insgesamt 114 Veranstaltungen zum Schwerpunktthema Italien vergeben und vergessen - das weltgrößte Tamtam des gedruckten Worts ist vorüber. Wieder wurden die Rekorde des Vorjahres gebrochen fast 8.000 Aussteller aus 95 Ländern, rund 220.000 Besucher und die teuerste Extra-Ausstellung aller Zeiten: Das „Centro Italia“ mit Renaissance-(Film-)Kulisse, Tiramisu und 4.000 Büchern verschlang zwölf Millionen Mark - und war ein „Publikumsmagnet“, wie die Messeleitung stolz berichtet. Auch wenn am letzten Tag - wie in jedem Jahr - die Bücherwürmer und Wortfetischisten durch die Gänge eilten und abgriffen, was die Taschen tragen konnten - der Büchertrend 1988 lautet: Mehr kaufen, weniger lesen. Sämtliche Indikatoren einer spekulativen Evaluation deuten darauf hin, daß die unübersehbare Masse der gedruckten Werke zwar den Besitzwunsch stärkt, die Lesefreudigkeit aber eher schwächt. Dem trugen die elektronischen Medien Rechnung, die ihre Präsenz auf der Messe einem neuen Rekord zutrieben. Noch nie war es so egal, was in den Büchern steht. Selbst die Autoren wurden zur Staffage einer Industrie, die dem Geist gestattet, sich fünf Tage lang als Auge des Taifuns zu fühlen, während die Bestseller noch perfekter aus der Retorte gezogen werden als je zuvor.

Das intellektuelle Flair, das als ungreifbares Etwas durch die Hallen geisterte, wurde nicht lebendig, auch wenn einzelne, eher kleinere Verlage (wie Wagenbach und Stroemfeld Roter Stern) herausragende Veröffentlichungen vorlegten. „Das Rare ist das Wertvolle“, erklärte 'Kursbuch‘ -Mitherausgeber Karl-Markus Michel in einem Interview. Möglich, daß auf der Buchmesse 1989 mit dem Schwerpunktthema Frankreich das seltene Ereignis einer erfolgreichen Revolution - 200 Jahre danach - zum Anlaß für mehr Streit und Spannung werden wird.

Reinhard Mohr