Mit Cowboyhut und Bügelfalte

■ Leo Kottke, virtuoser Altmeister auf der Gitarre, spielte am Montag abend im Modernes seine brillant durcharangierten, fein ziselierten Ettüden, die mehr sind als reine Folksongs

In „True Stories“ zeigt David Byrne einmal auf seine Kleidung, einer Mischung aus gebügeltem Anzug und Cowboykostüm, und sagt „Diese Sachen sind so 'in‘, daß keiner außer mir sie trägt“. So ähnlich verhält es sich auch mit Leo Kottke. Er hat seinen individuellen Musikstil entwickelt, der in keine Stilrichtung genau einzuordnen ist. Ohne viel Aufhebens von seiner immensen Virtousität zu machen, spielt er seine Stücke, die äußerlich einfache Folksongs sind, aber sich zugleich als brilliant durcharrangierte und fein ziselierte Ettüden entpuppen: Songs mit Cowboyhut, aber auch mit Bügelfalte.

Auch seine Bühnenpräsentation durchzieht dieser faszinie

rende Gegensatz: sie ist zugleich naiv und genau durchgestylt. Nur mit seinen beiden Gitarren - sechs- und zwölfsaitige - steht Kottke auf der Bühne. Erst nach ein paar Stücken beginnt er kleine Geschichten zu erzählen, die scheinbar ganz banal sind: von seinen Kindern auf dem Rücksitz des Autos, Filmaufnahmen in Mexiko, zu denen er eingeladen war, einem fürchterlicher Erziehungsfilm den er als Grundschüler gesehen hat, und der ihn zu einer Komposition inspirierte. Diese Geschichten sind wie die Musik: einfach und raffiniert, witzig und mit sympathischen understatement vorgetragen. Kottke erinnert hier ein wenig an Tom Waits, der ja auch ein begna

deter Erzähler ist, und bei dem die Ansagen fast eben so interessant sind wie die Musik selber.

Bei Kottke fügt sich all das zu einem sehr originellen und unterhaltsamen Ganzen; und er wirkt immer natürlich, locker und gelöst. Da stört es auch nicht weiter, daß er viele von seinen alten Songs immer noch im Programm hat, und sich seit den 70er Jahren kaum weiterentwickelt zu haben scheint. Vielleicht ist solch ein Stillstand der Preis für virtouse Perfektion; dafür gibt es in der Musik genügend Beispiele: etwa Oscar Peterson im Jazz oder John Williams auf der klassischen Gitarre. Er habe halt seine Lieblingsstücke, die er immer spiele, wenn er eine Gitarre in die Hand nimmt, erzählt Kottke ganz freimütig: vor ein paar Jahren habe er aufgehört, sie im Konzert zu spielen, weil er das Gefühl hatte, sie würden dem Publikum zum Halse heraushängen; aber spielt er sie wieder, egal, was das Publikum davon halte.

Kottke paßt in keine Schublade des Musikgeschäftes: für die Folkszene ist er zu avantgardistisch, den Trendhopern zu straight und den „seriösen“ Musikfreunden wiederum zu volkstümlich. Das Modernes war dennoch gut besucht von einem sehr gemischten Publikum: Kottke ist eben so „in“, das er auch zwischen den Lagern seine Zuhörer findet.

Willy Taub