Menschenschatten im Himmelsblau

■ Kunstfrühling und Vielfalt in der Galerie Steinbrecher: Bewegende Bilder von Hebe Sosa, nicht bewegende von Carola Schapals und Bildhauereien von Volker Schnüttgen

Mauern stürzen in einen lautleeren Raum aus Himmelsblau. Wände rücken auseinander, Menschenschatten sind zu ahnen. Eine Säule brennt in einem Feuer aus Eis. Die Bilder der Hebe Sosa: materielos und doch erdgebunden, gewoben aus Licht und erinnernden Schatten. Klar, sachlich und jedesmal ein Stück Poesie der Stille. Die wenigen konkreten Elemente darin sind vor allem die wandähnlichen Vierecke.

In früheren Bildern umschlossen sie feste, gebaute Räume, Zimmer, waren schützendes Behältnis oder beengende Zelle. Davon sind nur noch Andeutungen übrig, die Mauern lösen sich auf, wenige strenge Umrisse formieren sich zur Fläche. Die aber bleibt nie plan, kaum entstanden, streckt sie Schattenfinger in eine unbenennbare Tiefe, holt das Licht daraus hervor. Dieses Licht - manchmal lagert es als strahlender Abglanz an der Oberfläche, ein andermal sind die Elemente satt davon durchtränkt. Ein

gelber Block wird von der Lichtfülle in seinem Innern schwer nach unten gezogen. Wie aus einer mit Wachs ummantelten Laterne dringt daraus ein Schimmer hervor, unten honigbraun, oben golden-heiter.

Ein hauchdünnes Band spannt sich vor dem sanft gerundeten Geviert, eine unidentifizierbare Bewegung wird sichtbar, an der das Nebelblau zerstiebt. Dieses Bild markiert den Punkt, an dem die argentinische Künstlerin endgültig die Gegenstände und den zeitgebundenen Raum verließ.

In den folgenden Bildern öffnen sich die Gemäuer, Zeit und Menschenexistenz werden relativ. Zeilen des französischen Dichters Philippe Jaccottet spiegeln sich wider: „Alle Farbe, alles Leben entsteht dort, wohin der Blick nicht reicht.“ Aber Sosas Bilder sind nicht nur Zeugen eines präzisen Geistes, sondern auch des meisterlichen Umgangs mit den malerischen Mitteln. Die Feinheit des Farbauftrags läßt

jede Pore der Leinwand atmen, es gibt keinen lauten Pinselschlag, keine gewaltsamen Übergänge, die Zeichnungen sind kraftvoll-virtous.

Hebe Sosa starb im März dieses Jahres an Krebs. Es war ihr ausdrücklicher Wunsch, daß ihre Arbeiten auch nach ihrem Tode im Kunstfrühling gezeigt werden sollen. Nötig und angemessen wäre außerdem eine Retrospektive ihres Werkes, vielleicht durch die Gedok oder den BBK, in beiden Verbänden war sie jahrelang Mitglied.

Neben den Bildern Sosas die von Carola Schapals, was teilweise geradezu einer Respektlosigkeit gleichkommt. Die Kompositionen wirken angestrengt, willkürlich gebaut nach einem immer wieder abrufbaren Schema: eine leere, aber unruhige Fläche, an deren unterem Rand oder in der Mitte mit Sicherheit ein schmaler Streifen aus Muscheln, Pünktchen, Schriftzeichen und ähnlichem auftauchen.

Diese Zutaten stehen allerdings in keinem logischen Bezug zum Rest des Bildes. Die Schönheit im Unscheinbaren, das Große im Kleinen - Schapals macht das keineswegs sichtbar, zu vieles lenkt ab. Ganz schlimm, wenn die Leinwände eine Art Rettungsboot schleppen, angeklebt ans große Format nochmal ein kleines. Offensichtlich verliert sich die Malerin in den Möglichkeiten, die das Metier ihr bietet. Die Objekte aus Strandfundstücken kommen über Bastelcharakter kaum hinaus.

Es wäre schade, würden zwischen den (allzu viel) guten und weniger guten Bildern die Steinskulpturen von Volker Schnüttgen übersehen. Die ursprünglich so kraftvollen Leiber sind zerschnitten, draußen im Regen liefern sie sich ihrer Hilflosigkeit endgültig aus.

Beate Naß

Bis 23. 10. Galerie Steinbrecher, Mo-Fr, 10-18, Mi bis 21, Sa 10 bis13 Uhr.