Beratungsstellen in Finanz-Schwierigkeiten

■ Die Krisendienste NEUhland, Krisenambulanz Wedding und der Beratungsdienst KUB unterstützen Hilfesuchende in Krisensituationen und bewahren sie vor übereilten Einweisungen in die Psychiatrie / Negative Finanzpolitik des Senats zwingt zu Stellenstreichungen

Schon 24 Uhr, immer noch ertönt der scharfe, häßliche Piepton: die Leitung ist besetzt. Über Stunden hinweg scheint es unmöglich, den nächtlichen Krisen- und Beratungsdienst (KUB) telefonisch zu erreichen. Kein Wunder, die MitarbeiterInnen der Einrichtung für ambulante Krisenarbeit können sich nicht darüber beklagen, daß ihr Beratungsangebot nicht genutzt wird.

Da ist der Mann, der nicht damit fertig wird, daß sich seine Frau von ihm getrennt hat. Jetzt überlegt er, sich umzubringen. „Manchmal rufen sie vorher an, manchmal aber auch erst, wenn sie die Tabletten schon geschluckt haben“, meint Heiner Bertram vom KUB. Akute psychische Krisen damit setzen sich die MitarbeiterInnen an vier Nächten in der Woche auseinander. Knapp ein Viertel der Hilfesuchenden leidet unter Beziehungs- und Trennungsproblemen, aber auch viele NeuberlinerInnen wenden sich an diese Stelle, weil die fremde Großstadt zum psychischen Zusammenbruch führt.

Konfliktsituationen, aber auch die Isolation führen zu einer Kontaktaufnahme mit dem KUB, massive Angstzustände, Suchtprobleme, Depressionen und Verfolgungsangst sind die Symptome dafür, in einer Krise zu sein. Hier soll die Arbeit der Psychotherapeuten und Sozialarbeiter im KUB ansetzen: „Die Krise ist die Möglichkeit für die Berater, an die Konflikte heranzukommen“, so Bertram. Hilfesuchende können anrufen, aber auch vorbeikommen, gut die Hälfte sind Frauen. In einem langen, intensiven Gespräch haben sie dann die Möglichkeit, ihre Probleme loszuwerden. „Doch danach müssen sie wieder gehen - selbst wenn viele eine Distanz dringend bräuchten, bei uns können sie nicht bleiben.“ Um effizienter arbeiten zu können und Hilfesuchende nach dem Gespräch nicht wegschicken zu müssen, entwarfen die MitarbeiterInnen ein Krisenhauskonzept. Doch das ist, wie viele soziale Projekte, von vornherein zum Scheitern verurteilt: Von den beantragten 950.000 Mark bewilligte der Senat nur 200.000 Mark.

Auf einer gestrigen Pressekonferenz stellten neben dem KUB auch die Beratungsstelle NEUhland sowie die Krisenambulanz Wedding ihre Arbeit vor. NEUhland berät selbstmordgefährdete Kinder und Jugendliche und die Krisenambulanz Wedding kümmert sich um selbstmordgefährdete Menschen'aber auch um chronisch psychisch Kranke in einer akuten Krise. Zusätzlich arbeitet die Krisenstation eng mit den Krankenhäusern im Wedding zusammen.

Allen drei Einrichtungen gemeinsam ist, daß sie zu schnelle Einweisungen in staatliche Instiutionen, in die Psychiatrie, verhindern wollen. Die Krise soll in einer Institution nicht individualisiert werden, sondern muß in gesellschaftlichem und familiärem Zusammenhang gesehen werden. „Sobald jemand in der Psychiatrie landet, wird er doch für verrückt erklärt“, so Michael Witte von NEUhland. Dies wollen die Kriseninterventionensstellen verhindern. Ärzte im Hintergrund, zumindest bei NEUhland und der Weddinger Krisenambulanz, unterstützen sie dabei. Doch der Druck des Senats in Form von mangelnder finanzieller Zuwendung zwingt die Einrichtungen in die Knie. Dadurch wolle der Senat deren Anbindung an die staatlichen Institutionen erreichen, kritisiert Bertram vom KUB. Nach wie vor würden von offizieller Seite Hunderte von Millionen allein für bauliche Maßnahmen im stationären Bereich ausgegeben. die Mittel der alternativen Stellen würden dagegen gekürzt. Die Folge seien Stellenkürzungen und die Einschränkung der Öffnungszeiten. NEUhland mußte mittwochs schließen, da drei von sechs Beratern nicht weiter bezahlt werden konnten. „Dabei sparen diese Institutionen doch letztlich Geld“, empört sich Dr. Dormagen, Leiter der Kriseninterventionsstation im Krankenhaus Moabit.

Durch die Existenz von NEUhland und Krisenambulanz Wedding hat sich die Verweildauer seiner Patienten stark verkürzt, können sie früher entlassen werden, weil sich diese Einrichtungen weiter um sie kümmern, oder sie gelangen erst gar nicht dorthin. Nach seiner Berechnung haben der Senat und die Krankenkassen seit Bestehen der ambulanten Kriseninterventionseinrichtungen rund 230.000 Mark gespart.

Martina Habersetzer