Ab heute Verhandlungen für Lome-IV-Abkommen

Neuer Handels-Vertrag der EG mit AKP-Entwicklungsländern steht in Brüssel zur Debatte  ■  Von Ulli Kulke

Berlin (taz) - Neben den bereits laufenden Verhandlungen zu einem neuen internationalen GATT-Welthandelsabkommen beginnt heute in Brüssel ein zweiter Sitzungs-Marathon in Sachen Handel und Wandel. Die Europäische Gemeinschaft setzt sich mit den 66 Staaten aus Afrika, der Karibik und dem Pazifik (AKP-Staaten) zusammen, mit denen sie seit 1975 im Rahmen der „Lome-Abkommen“ besondere wirtschaftliche Beziehungen unterhält. In Brüssel geht es nun um den „Lome IV„-Vertrag, der 1990 mit fünfjähriger Laufzeit in Kraft treten soll.

Es geht dabei zum einen um besondere Handelspräferenzen, die die EG dieser Staatengruppe einräumt, bei denen es sich durchweg um ehemalige Kolonien der Gemeinschaftsländer handelt. Daneben sind in den Lome-Abkommen auch stets Vereinbarungen über direkte Entwicklungshilfe-Projekte enthalten. Außerdem müssen die Finanzausstattung des sogenannten „Stabex„-Systems sowie AKP-Mitgliedschaften zusätzlicher Länder neuverhandelt werden.

Bei Stabex handelt es sich sicherlich um den interessantesten Baustein der Lome-Pakete, der gleichwohl an zu geringer Finanzausstattung bislang gescheitert ist. Dieses System sichert den rohstoffexportierenden Drittwelt -Staaten Ausgleichszahlungen für Einkommensausfälle zu, die aus gesunkenen Rohstoffpreisen resultieren. Es werden also nicht die Rohstoffpreise selbst künstlich gestützt, was die Exportländer zu höherer Rohstoff-Produktion über die Weltmarktnachfrage hinaus veranlassen, und dadurch den ökologischen Raubbau forcieren könnte. Vielmehr werden für Einkommensausfälle direkte Haushaltshilfen bezahlt. Damit sollen Investitionen gefördert werden, die die einseitige Abhängigkeit vom bloßen Rohstoffexport lindern könnten. Allerdings dürfen sie nur im selben Bereich, in dem die Einkommensausfälle entstanden sind, verwendet werden. Als Alternative kommt also nur eigene Weiterverarbeitung in Frage, keine grundsätzliche Umorientierung etwa von der Agrar- zur Industrieprodukion. Weil vom letzten Abkommen Lome III (finanzieller Gesamtrahmen 8,5 Milliarden Ecu, ein Ecu gleich 2,07 DM) nur knapp eine Milliarde Ecu für alle fünf Jahre in den Stabex-Topf flossen, war der sehr schnell leer, und es hatte ein Ende mit den Ausgleichszahlungen. Die EG hat sich in der jüngsten Vergangenheit äußerst zurückhaltend geäußert, was etwaige Aufstockungen des Stabex -Topfes angeht. Daher dürfte auch ihr Versprechen, bei Lome IV auf die Rückzahlugen der Rohstoffexporteure für den Fall überdurchschnittlich hoher Weltmarktpreise zu verzichten, ein Muster ohne Wert sein. Durch solch ein „Zugeständnis“ wird der leere Stabex-Topf erst recht nicht voller.

Auch in der Frage weiterer Handelsliberalisierung wird sich nichts Grundsätzliches ändern. Es hört sich zwar sehr passabel an, wenn die EG für 96 Prozent aller Exportprodukte, die aus den AKP-Staaten in die EG geliefert werden, keinerlei Zölle erhebt. Dabei handelt es sich aber durchweg um solche Produkte, die in der EG keinerlei Konkurrenz genießen - und solche Produkte, die es gar nicht gibt, etwa High Tech made in Africa. Jene landwirtschaftlichen Produkte, die mit heimischen EG -Erzeugnissen konkurrieren müssen, unterliegen nach wie vor scharfen Zollbeschränkungen.

Interessant dürfte die Diskussion über die Verwendung der Entwicklungsmittel-Hilfe in Lome IV werden. Großbritannien und die Niederlande wollen die EG-Mittel dafür einsetzen, Strukturanpassungsprogramme des Währungsfonds und der Weltbank finanziell zu begleiten, wie es zunehmend auch mit bilateralen Entwicklungshilfegelder etwa Japans oder auch der Bundesrepublik praktiziert wird. Andere Länder wie Frankreich und Italien dagegen wollen es lieber bei der traditionellen Projektunterstützung belassen. Immerhin hatte sich der zuständige EG-Ministerrat in Vorgesprächen im Mai darauf geeinigt, die Lome-Entwicklungspolitik stärker mit IWF und der Weltbank abzustimmen.

Logische Folge wäre nach der inzwischen in Kraft getretenen Mitgliedschaft Spaniens und Portugals in der EG, daß weitere Länder zu dem AKP-Staaten hinzukommen, Haiti und die Dominikanische Republik haben bereits ihr Interesse bekundet. Von der gesamten ehemaligen Kolonialregion der iberischen Halbinsel, die schließlich einen ganzen Halbkontinent umfaßt, spricht dagegen niemand. Dies würde auch den bisherigen Charakter der AKP-Staaten umkrempeln, zu denen keinerlei Schwellenländer gehören. Aber auch hinsichtlich geringfügiger Aufstockungen in der AKP -Mitgliedschaft haben sich die EG-Vertreter bislang sehr zurückhaltend geäußert. Als sicher gilt dagegen, daß Namibia, eine ehemalige deutsche Kolonie, nach seiner Unabhängigkeit von Südafrika 67. AKP-Mitglied wird. Mozambik und Angola waren beim Inkrafttreten von Lome III 1985 als 65. und 66. Mitglied hinhzugekommen.

Ein Beleg dafür, wie wenig die Handelszugeständnisse der EG zugunsten der AKP-Staaten eingebracht hat, dürfte die Tatsache sein, daß der Anteil der AKP-Staaten am EG-Import seit Lome I (1975) von 7,5 auf unter fünf Prozent gesunken sind. Nach einem Bericht des Europa-Parlamentes sind die Staaten mit 170 Milliarden Dollar verschuldet. Trotzdem gilt die Lome-Konvention von ihrer Konstruktion her (nicht vom Finanzvolumen) nicht nur bei den AKP- und den EG-Staaten, sondern auch bei entwicklungspolitisch kritischeren Gruppen als ein Vertragswerk, das durchaus positive Ansätze in sich birgt.