Polarforscher tagen auf Nato-Kosten

■ Bremer Geowissenschaftler veranstaltet internationalen Workshop über die polaren Ozeane / Nato fördert die Tagung zu 90 Prozent / „Ich hätte das Geld auch vom Warschauer Pakt genommen“

Es begann mit einer „Eisbrecher-Party“ im Hotel Munte schon am vergangenen Samstag. Von der Öffentlichkeit bisher unbemerkt, wird ein internationaler Polarforscher-Workshop morgen zu Ende gehen. Laut Programm und den Versicherungen der Veranstalter wird dann kein Wort über militärische Forschung gefallen sein. Das, obwohl die Tagung zu 90 Prozent von einer militärischen Organisation gefördert wird: von

der Nato, Abteilung für wissenschaftliche Angelegenheiten.

Mehr als 50 WissenschaftlerInnen aus Frankreich, den USA, Norwegen, der Bundesrepublik, Island, Kanada und anderen Staaten nehmen an dem Workshop teil. Osteuropäische Länder sind nicht vertreten. Zwei sowjetische Forscher hatten ihre Teilnahme zugesagt, blieben der Konferenz aber dann ohne Angaben von Gründen fern.

Das umfangreiche Tagungsprogramm liefert in der Tat keine Hinweise auf militärische Zwecke. „Arktis gegen Antarktis“ ist der Titel. Die geologische Geschichte der beiden Polregionen soll miteinander verglichen werden. Schmelzen und vereisen die beiden Polkappen „synchron oder asynchron“? Das, so heißt es in der Einleitung, sei eine schon lange offen stehende Frage; auf die Bedeutung der polaren Meere

für das Klima der Welt wird verwiesen.

Veranstalter der Tagung ist Professor Ulrich Bleil vom Fachbereich Geowissenschaften der Bremer Universität. Mit ihm im Organisationskomitee sitzt Jörn Tiede von der Kieler Uni. Die Bremer Universität habe mit der Veranstaltung nichts zu tun, erklärte Bleil gestern der taz. Er selbst habe das Geld bei der Nato in Brüssel eingeworben. Eine Summe wollte er nicht nennen, aber es handle sich um mehrere 10.000 Mark.

An die Nato habe er sich gewandt, weil andere Sponsoren nur jeweils 3.000 bis 5.000 Mark gäben. „Da ist man dann ein Jahr lang mit dem Sammeln beschäftigt.“ Nur eine einzige Bedingung habe die Nato gestellt: Militärwissenschaftliche Projekte werde sie nicht fördern.

Das bestätigte auch Luis Dacunha, der zuständige Sachbearbeiter im Brüsseler Hauptquartier. Internationalen wissenschaftlichen Austausch fördere die Nato schon seit 20 Jahren. 300.000 Wissenschaftler hätten bereits auf ihre Kosten getagt. Rund 100 Bücher pro Jahr seien das Ergebnis dieser Zusammenkünfte.

Daß die Ergebnisse des Bremer Workshops auch militärischen Zwecken dienen können, will Veranstalter Bleil nicht ausschließen: „Ich habe ja Phantasie. Jede Forschung kann korrumpiert werden. Außerdem sind unsere Forschungsergebnisse öffentlich.“ Dennoch ist ihm der wissenschaftliche Austausch wichtiger: „Wenn der Warschauer Pakt mir das Geld geben würde, würde ich es auch nehmen“.

Michael Weisfeld