Ein pikanter Rechtsstreit um Männerakte

■ Eine Richterin und eine Staatsanwältin taten sich schwer damit, Männerakt-Magazine nicht als pornographisch zu beurteilen / Die angeklagten Buchhändler sprachen von Aufklärung und ästhetisierender Inszenierung / Gutachten sollen zur Aufklärung beitragen

Sowas muß sie nicht alle Tage verlesen. Doch mit betonter Nüchternheit kamen der Richterin die Zitate flüssig von den Lippen. Da war von „zwei Schwänzen in einer Hand“ die Rede, vom „flotten Dreier“ und von den Profis, die auch schon mal „zwei Schwänze im Arsch“ vertragen.

Vor Gericht standen am Mittwoch zwei schwule Versandbuchhändler mitsamt einigen Büchern und Männerakt -Magazinen aus ihrem Programm. Die hatte die Staatsanwaltschaft im letzten November auf Grund einer Anzeige eines Kunden beschlagnahmen lassen. Die Staatsanwältin hatte die pikante Vorarbeit geleistet und sich durch das drastisch-bunte Material gelesen. Dabei war sie zu der Überzeugung gelangt, daß es sich hierbei fast durchweg um Pornographie handele, denn hier würden Männer in Bild und Wort als Sexualobjekte dargestellt. Nun war es an der Richterin, die pornographische Einsicht zu überprüfen, ging es doch darum, die beiden Buchhändler zu überführen, fortgesetzt als Versand gemeinschaftlich pornographische Schriften angeboten zu haben.

Der 32jährige Bruno G. und sein Geschäfts- und Lebenspartner Christian von M. waren gut vorbereitet zur Verhandlung erschienen. Bei jedem der konfiszierten Exemplare versuchten sie der Richterin auf die Sprünge zu helfen, daß es sich dabei nicht um Pornographie handele. Vielmehr erläuterten sie ihre Kriterien für die Aufnahme dieses oder jenen Titels ins Versandprogramm. Mit ihrem „Safer Sex„-Handbuch beispielsweise wollten sie ihren schwulen Kunden einen Wegweiser durch die neuen Sex -Techniken bieten, dabei seien drastische Beschreibungen beabsichtigt, man wolle damit zur Nachahmung auffordern. Und bei den Fotobänden und -magazinen hätten sie sehr bewußt darauf geachtet, daß darin der nackte Männerkörper in „ästhetisierender Inszenierung“ und unter „weitgehendem Verzicht auf sexuelle Handlungen“ dargestellt würde. Was ein richtiger Porno sei, wollte der Angeklagte der Richterin nicht vorenthalten. Als Beweis legte er zwei Magazine vor, die nicht von ihm vertrieben werden. „Bah“, reagierte die Vorsitzende nach einem kurzen Blick auf so viel Eindeutigkeiten und reichte das Heft gleich weiter. Doch die Staatsanwältin lehnte ab: „Davon habe ich schon genug gesehen“. Sie beharrte darauf, daß das vorliegende Material pornographisch sei, denn in allen Abbildungen würden die Geschlechtsteile in den Vordergrund gestellt: „Das Augenmerk wird immer wieder auf den After gelenkt“.

Letztendlich erklärten sich sowohl Richterin als auch Staatsanwältin für die rechte Beurteilung nicht kompetent, vielleicht solle sich ein Richter damit befassen, schlug die Staatsanwältin vor. Auch da konnten die beiden Angeklagten weiterhelfen, sie schlugen eine Reihe kompetenter Fachleute vor, die ihrerseits noch einmal die beschlagnahmten Bücher begutachten sollten. Damit drängten sie auf eine weitere Klärung der Frage, „welche Zensurmaßstäbe bei der Verbreitung schwuler Themen von der bundesdeutschen Justiz“ angewandt würden. Eine Beantwortung sei für den schwulen Buchhandel von Bedeutung.

Wie zugespitzt die Situation ist, zeigt die Liste von beschlagnahmten Büchern, die auf Grund einer Anzeige des Jugendamtes in Frankfurt im gleichen Versandhandel im September von der Staatsanwaltschaft eingezogen wurden. Unter den 47 Titeln befinden sich auch die „SchwulComix“ von Ralf König, „Teleny“ von Oscar Wilde und „Das Weißbuch“ von Jean Cocteau.

Elmar Kraushaar