Unter Beobachtung: HIV-Infizierte

■ In einem „Modellversuch“ sollen in Berlin, ähnlich wie in Frankfurt und Köln/Bonn, mit dem HIV-Virus Infizierte als medizinische Objekte dienen

Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin erwägt derzeit die Einrichtung eines sogenannten „HIV-Modells“ zur ambulanten ärztlichen Betreuung von HIV-Infizierten. Dr.Rautschus, 1.Vorsitzender der Vereinigung, zeigte sich auf Nachfrage der taz wenig auskunftsfreudig: „Es ist nicht unsere Art, jetzt etwas zu sagen, wenn die Sache nachher ins Wasser fällt.“ Frühestens in vier Wochen sei „die Zeit reif“, so Rautschus. Allerdings gestand er ein, daß die Vereinigung zur Zeit mit Behörden und Ärzten im Gespräch über diese Thematik sei.

Sogenannte HIV-Modelle arbeiten bereits seit einem Dreivierteljahr in Frankfurt und Köln/Bonn. Pro Modellversuch sollen bis zu 2.000 HIV-Infizierte - das heißt noch nicht an Aids Erkrankte - einbezogen werden, die dann in Drei-Monats-Abständen in eine „Schwerpunkt-Praxis“ bestellt werden. Dort sollen ihnen nicht nur Blutproben abgenommen werden, sondern sie werden auch zu einer angeblich lebensverlängernden „diätetischen Lebensweise angehalten und darin bestärkt, „eigenes Fehlverhalten zu ändern“. Es soll in diesem Modell nicht nur auf Menschen zurückgegriffen werden, die bereits wissen, daß sie HIV -positiv sind, sondern Ziel ist die breite Testung auf HIV -Antikörper über niedergelassene Ärzte. Das Konzept für die HIV-Modelle stammt vom Bundesdrogenbeauftragten Franke aus dem Bundesgesundheitsministerium.

Wie die bereits arbeitenden Modelle treffen auch die Berliner Pläne auf harte Kritik der Aids-Hilfe. Sie lehnt die „Medizinisierung“ von HIV ab und fordert die direkte Einbeziehung der Betroffenen. „Dort soll auch beraten werden, und damit maßen sich Ärzte psycho-soziale Kompetenzen an, die sie einfach nicht haben.“ Ein weiterer Minuspunkt sei der fehlende Datenschutz, denn über die Patientenkarteien sei jeder Positive später identifizierbar. Das Anhalten zu „verantwortlichem Verhalten“, wie es die Modellskizzen vorsehen, eröffnen auch Strafverfolgungsmöglichkeiten gegen Positive, so die Aids -Hilfe.

Die Berliner Ärztekammer wurde bislang ebenfalls nicht in die Planungen der Kassenärztlichen Vereinigung mit einbezogen. Deren Aids-Beauftragte, Konstanze Jakubowki, hält die mit dem Modell verbundene Aufforderung zum „massenhaften Testen“ für „nicht unproblematisch“. Letztlich hänge die Haltung der Ärztekammer aber von der konkreten Ausgestaltung ab. Der Gesundheitssenator steht dem HIV -Modell ebenfalls „eher skeptisch“ gegenüber. „In Berlin sind die Grundlagen für ein solches Modell nicht gegeben“, so Pressesprecher Schüldtke, „denn in Berlin sind bereits genügend Testmöglichkeiten vorhanden.“ Der Senat wird eine Haltung zum HIV-Modell Berlin in den nächsten Tagen im Rahmen der Antwort auf eine Kleine Anfrage der AL öffentlich machen.

Andreas Salmen