: Linksreaktionärelitär
■ Typisch taz: Bremer Tageszeitung räumt Chefsessel freiwillig für Kulturbonzen, Frauenfeinde, die Staatsmacht, Hausbesetzer und Gewaltverherrlicher
Es ist wirklich eine Zumutung. Drei Monate lang, seit September und noch bis Ende November haben wir die Regie über unsere Zeitung für jeweils einen Tag in der Woche aus der Hand gegeben. Jetzt stolpern, zumeist montags, irgendwelche mehr oder weniger bekannten Bremer Zeitgenossen über unseren verschlissenen Teppich, gießen fürsorglich die mißhandelten Redaktions-Blümchen und waschen, Mitleid im Blick, des abends Unmengen schmutziger Kaffeetassen ab. Nein, wir haben wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank. Denn das
Schlimme daran: Diese Menschen dürfen sogar für einen Tag bestimmen, was unsere LeserInnen am nächsten Morgen in ihrer taz lesen können, dürfen, müssen.
Wie zum Beispiel der Theatermann Jürgen Müller-Ohtzen. Mutet der doch glatt unseren LeserInnen eine Zeitung zu, von der ersten bis zur letzten Zeile vollgeschrieben mit Texten über politisches Theater. Nichts Themenvielfalt, keine Politik, alles Theater. Und das Ganze auch noch komplett kleingeschrieben. Augenpulver für Bildungsbürger. Na ja. Im Grunde wußten es ja schon immer alle, daß die taz ein alternativ-elitäres Blättchen ist. Typisch taz.
Und dann geben wir doch glatt unser so alternatives Massenmedium einfach in die Hände einer Klassenfeindin, die, strafverschärfend, zudem noch Abtreibungsgegnerin ist. Schlimm genug, daß es solche Menschen überhaupt gibt. Damit haben wir dann wohl endgültig bewiesen, daß wir auf unserem Weg von kleinbürgerlich nach ganz rechts vor gar nichts und niemandem zurückschrecken. Typisch taz.
Es kommt aber, das versprechen wir, noch schlimmer. Denn schließlich haben wir noch nicht
einmal die Hälfte unserer ChefredakteurInnen-Liste verschlissen. Zum Beispiel in der nächsten Woche, knüppeldick. Am Mittwoch kommen drei Hausbesetzer vom Buntentor-Steinweg. Na ja. Ist schon richtig, was immer wieder über die taz gesagt wird: Die taz ist eine links -sektiererische Zei
tung mit einem latenten Hang, politische Gewalt zu verharmlosen. Typisch taz.
Und dann Ende November: Dann kommt Tobias Richter, Intendant des Theaters der Freien und Hansestadt Bremen. So ein Kulturbonze, der von dem Geld lebt, das den alternativen Kulturprojekten an allen Ecken und Enden fehlt. Ganz klar, daß so einer von der taz nicht vergessen wird. Typisch taz eben.
Und dann ist da ja auch noch dieser Senator mit der größten Demonstrationserfahrung, soll heißen mit der größten Erfahrung, wie man genau das nicht macht, was Demonstranten fordern, Senator Franke. Typisch taz. Erst monatelang über seine Standortkonzepte, Hochschul-und Kulturpolitik mosern und dann so einem nach der Macht im Staate auch die Macht in der Redaktion andienen. Noch schlimmer, sich ihm unterwerfen.
Am nächsten Montag kommt aber zunächst einmal Jutta Kellmann-Hoppensack, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozial-Demokratischer Frauen. Wir freuen uns drauf. Und am Dienstag gibt es die Zeitungen dann wieder in AbonentInnen -Briefkästen und am Kiosk.
Holger Bruns-Kösters
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