Ein Belgier sucht Charlie Parker

■ „Bird Now“, ein Dokumentarfilm über den Jazz-Musiker Charlie Parker, läuft bis Mittwoch in der Schauburg / Uneinheitlicher Film mit sehenswerten schönen Schmuckstücken

Der belgische Filmemacher Marc Huraux ist nach New York gefahren, um einen Dokumentarfilm über Charlie Parker zu drehen; mehr als dreißig Jahre nach dem Tod des legendären Jazz-Saxophonisten. Dabei verwendete er verschiedenste filmische Mittel und „Bird Now“ ist dann auch ein sehr uneinheitlicher Film geworden, in dem man die Schmuckstücke suchen muß. Große Teile des Films sind einfach scheußlich, andere sind so schön und interessant, daß es sich für Jazzfans allemal lohnt, ihn sich anzusehen.

Immer wenn Hureaux nur herzeigt, was er gefunden hat, ist der Film gut. In Interviews erzählen Menschen, die Bird gut kannten, von ihren Erfahrungen, jeder beleuchtet eine andere Facette. Seine beiden Ehefrauen kommen zu Wort, Musiker wie Dizzy Gillespie und Earl Coleman, Konzertveranstalter oder Freunde. Außerdem sind die beiden einzigen Filmaufnahmen Parkers sind zu sehen, und einige Minuten aus einem Film mit Billie Holliday. Ein Steptänzer tanzt wunderschön zu den „untanzbaren“ Bebop-Improvisation Parkers und das Henry Threadgill Sextett spielt Jazz von heute, in dem Parkers Einfluß deutlich zu hören ist. Die New Yorker Jazzszene ist

bis zum Rand gefüllt mit Talenten, man muß nur die Kamera daraufhalten, um faszinierende Bilder, Töne und Geschichten zu bekommen.

Aber leider war das Huraux nicht genug. Immer wenn ihm das gefundene Material nicht ausreichte, wenn er originell oder künstlerisch bedeutungsvoll werden wollte, wird der Film ärgerlich. New York hat es dem Belgier angetan, und so gibt es lange Einstellungen von Autofahrten, U-Bahnhöfen, regnerischen Straßenzügen in der Bronx. Bilder, die nicht viel mehr sind als die Aufnahmen eines Touristen in New York. Dann gibt es einige gestellte Szenen, zum Beispiel mit einem Paranoiden, der in einer Bar herumschreit, oder ein Schauspieler tritt, mit dem Rücken zur Kamera, als Charlie Parker himself auf, der gerade sein Saxopfon im Leihaus versetzen will; der Verleiher gibt ihm das Geld und fragt tatsächlich: „Wieviel Jahre bist du nun schon tot, Bird?“ Das wirkt alles extrem unnatürlich, ausgedacht und gerade weil die anderen Teile so gut sind, peinlich unprofessionell.

Oft geht Huraux auch sehr unsensibel mit der Musik um. Man beginnt sich zu fragen, ob er wirklich von der Genialität von Park

ers Musik überzeugt ist, wenn er die Originalaufnahmen für seine langen Kamerafahrten wie jede beliebige Filmmusik einsetzt, und zum Teil sogar bei den Interviews im Hintergrund dudeln läßt. Angemessener wäre es da gewesen, Bilder für die Musik zurückzunehmen: einige Solopassagen zu spielen, und die Leinwand dabei schwarz zu lassen.

Charlie Parker wurde einmal wegen 25 Dollar aus dem berühmten Jazzclub „Birdland“, der nach ihm benannt wurde, herausgeschmissen. Einer seiner Musikerkollegen erzählt diese Anekdote in „Bird Now“ und auch in „Bird“, Clint Eastwoods Spielfilm über das Leben und Sterben von Charlie Parker, kommt diese Szene vor. Bei Huraux erzählt zudem ein Anwalt von den verschiedenen Versuchen, in Hollywood einen Spielfilm über Charlie Parkers Leben zu drehen. Der Film des Belgiers ist hier ein direkter Kommentar zu Eastwoods Produktion. Trotz seiner Schwächen ist „Bird Now“ eine ideale Ergänzung zu „Bird“, der diese Woche in Deutschland anläuft, und, so die Kinobesitzer es wollen, vielleicht sogar irgendwann einmal in Bremen zu sehen sein wird.

Wilfried Hippen

Schauburg 23.00 Uhr