: Ein Schlagstock für 600 Mark
■ Privenau-Sympathisant vor Gericht: Am Tage der Urteilsverkündung hatte er sich von der Polizei nicht den Schlagstock abnehmen lassen / „Das hätten ja auch DKPisten sein können“
Ein richiges Ritual hatte sich da eingespielt, letztes Jahr im Frühsommer, als vor dem Bremer Amtsgericht gegen den damaligen FAP-Vorsitzenden Markus Privenau wegen Totschlags verhandelt wurde. Privenaus Sympathisanten - Merkmale: Kahler Kopf, Springerstiefel und Fliegerjacken - kamen mit Baseballschlägern oder ähnlich schlagendem Werkzeug ins Amtsgericht. Vor der Tür des Gerichtssaales
gaben sie die Prügel ab. Am Ende der Verhandlung bekamen sie sie mit schöner Regelmäßigkeit wieder ausgeliefert.
Ein Ritual bis zum 17.7.87, dem Tag der Urteilsverkündung. An diesem Tag fiel der Polizei zum ersten Mal auf, daß es sich bei den Prügeln um waffenähnliche Gegenstände handelt, die man den Neo-Nazis auch schon auf der Straße abnehmen kann. Die Folge: Eine Rangelei in der
Nähe des Gerichstgebäudes, ein festgenommener Neo-Nazi und gestern nun eine Verhandlung vor dem Amtsgericht.
Angeklagt: Der 32jährige Meinhard Elbing aus Bielefeld und vorgeworfen wird ihm zweierlei: Verstoß gegen das Versammlungsgesetz, da er an einem bewaffneten Auflauf teilgenommen habe, und Widerstand gegen die Staatsgewalt, da er seinen Knüppel nicht herausgeben
wollte.
„Kameradinnen und Kameraden, so sagt man das bei uns“ (Elbing), aus mehreren Städten waren angereist, um dem publicity-trächtigen Tag mit Privenau gemeinsam zu verbringen. Etwa 50 „KameradInnen“ hatten sich beim Plaza -Hotel gesammelt und waren dann zum Gericht gezogen. Dort wartete eine rund dreimal so große Zahl von Antifaschisten vor dem Eingang, „buntscheckige, aufgescheuchte Punker“, so Elbing. Die Neo-Nazis wählten den Umweg über die Dechanatstraße und kamen dann „laufend und mit Gebrüll“, so gestern ein Polizeibeamter, um die Ecke gestürmt. „Offensichtlich wollten die Rechten auf die Linken los“, erkannte der Polizist aggressive Haltung und schritt mit seinen Kollegen ein. „Ich sagte 'Halt Polizei!‘ und forderte sie auf, die Waffen wegzulegen.“
Doch Elbing, gewohnt mit seinem Schlagstock bis ins Gericht spazieren zu dürfen, weigerte sich. Nach einem kurzen Gerangel lagen sowohl Elbing als auch die beiden Polizisten auf dem Boden.
„Da stellen wir uns mal ganz dumm“, muß Rechtsanwalt Jürgen Rieger, bei fast jedem Prozeß gegen Rechtsradikale dabei, sei
nem Mandanten als Prozeßstrategie angeraten haben. Und der redete, wie er sollte. Da die Polizisten zivil getragen hätten, hätte er sie nicht als „Staatsmacht“ erkannt. „Das hätten ja auch Sozialdemokraten oder DKPisten sein können“, meinte er. Die „Polizei„-Armbinden will Elbing ebensowenig gesehen, wie den Ruf „Halt Polizei“ gehört haben: „Da hätte ja jeder kommen können.“
Nachdem Anwalt Rieger damit gedroht hatte, weitere 30 Zeugen laden zu lassen, um den ganz genauen Hergang des kurzen Handgemenges zu rekonstruieren, läßt Richter Friedrich Wulf seine Überlegung, die Anklage um Landfriedensbruch zu erweitern, schnell fallen, und schlägt in Übereinstimmung mit dem Staatsanwalt vor, den Angeklagten lediglich zu 600 Mark Geldstrafe zu verurteilen. Nach kurzer Beratung mit Rieger, nimmt Elbing das Urteil an. Und Richter Wulf erinnert sich nostalgisch an frühere Verfahren gegen Neonazis wie Michael Kühnen. „Da war es noch nicht so schlimm. Diskutieren Sie das doch mal,“ rät er dem Angeklagten. Nur die Anwendung von Gewalt meint der Richter, nicht die politische Haltung.
hbk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen