Absteiger Dukakis

■ Die US-Wahl ist weitgehend gelaufen

Hat Michael Dukakis die Wahl bereits verloren? Diese Frage muß mittlerweile bejaht werden. Gestern wartete die 'Washington Post' mit einer landesweiten Umfrage unter 10.000 WählerInnen auf, die Bush als voraussichtlichen Sieger in mehr als 30 der 50 US-Bundesstaaten bezeichnete. Bei den Stimmen lag er nur fünf Prozent vor Dukakis, ein durchaus einholbarer Vorsprung. Doch die Wahl entscheidet sich anders: Jeder Bundesstaat will einzeln gewonnen werden, dann aber hat der führende Kandidat alle Wahlmänner dieses Staates in der Tasche.

Die TV-Debatte, die zweite und letzte zwischen Dukakis und Bush, hat nicht dazu beigetragen, den Vorsprung des Noch –Vizepräsidenten zu verringern. Ein politisches Ratatouille, dem die Würze fehlte und dessen Zutaten leicht verkocht waren. Dukakis hätte ein paar magische Momente gebraucht, in denen er den ZuschauerInnen als Held, als Leitfigur, erschienen wäre. Doch der griechischstämmige Gouverneur war nur ein weiteres mal „Zorba, der Beamte“. Der enttäuschendste Moment kam, als er in der Debatte nach einem Mitmenschen gefragt wurde, den er verehre. Kein einziger Name fiel Dukakis ein, statt dessen ratterte er Berufsbezeichnungen herunter: Kongreßabgeordnete, Lehrer, Sozialarbeiter und Polizisten.

Was für ein frustrierender Moment. Dabei gab es Zeichen für eine Trendwende im Übermaß: Reagan hatte mit dem Iran-Contra –Skandal das Schicksal seiner Partei besiegelt, seine Regierung fiel auseinander; Jesse Jackson hatte die oppositionellen Graswurzeln mit seiner Vorwahlkampagne beflügelt wie niemand im letzten Jahrzehnt, es gab endlich eine Debatte über soziale Gerechtigkeit. Bis zum Demokratischen Parteitag in Atlanta sah es nach einem klaren Sieg der Reagan-Opposition aus. Und nun? Bush gewinnt die Wahl mit zwei, drei Neben-Themen, dem Fahneneid und dem „Law and Order“-Appell an die dumpfen Rachegelüste der von Kriminalität geplagten BürgerInnen. Mit einer unglaublich manipulativen Kampagne, geprägt von Meinungsforschern, die ihren Kandidaten nach den Resultaten täglicher Umfragen hinbiegen, immer auf der Suche nach dem effektiven Schlag unter die Gürtellinie.

Die Frage, ob man morgens die Fahne grüßt oder ob man verurteilten Kriminellen Freigang gewährt, ist auf einmal nicht mehr zweitrangig, sondern eminent wichtig: Sie trägt Bush Wähler zu. Was dabei in Vergessenheit gerät, ist Bushs achtjährige Rolle in einer der demagogischsten, korruptesten und ideologischsten Regierungen, die die Vereinigten Staaten je erlebt haben. Zu bedauern ist nicht so sehr, daß George Bush bald vier Jahre lang im Weißen Haus sitzen dürfte. Schlimmer ist: Der Politik von Ronald Reagan, Oliver North, Edwin Meese und Dutzender anderer Polit-Gauner wird nachträglich Legitimität verliehen.

Stefan Schaaf