Dukakis nach TV-Duell aus dem Rennen

Zweite und letzte landesweit übertragene Fernsehdebatte zwischen George Bush und Michael Dukakis / US-Wahlkampf in der Endphase / Bush liegt vorne  ■  Aus Washington Stefan Schaaf

Die US-Präsidentschaftsdebatte am Mittwoch abend war Michael Dukakis‘ letzte Chance. Vor einem nationalen TV-Publikum von etwa 80 Millionen hätte der Kandidat der Demokratischen Partei beweisen müssen, daß er nicht nur kompetent ist, sondern auch über die persönlichen Qualitäten verfügt, die amerikanische Wähler an ihren Präsidenten schätzen. Er hat diese Chance verspielt.

Der Gouverneur aus Massachusetts liegt seit mehreren Wochen in allen Meinungsumfragen hinter Vizepräsident und Republikaner George Bush, der ihn mit Appellen an Patriotismus, an Recht und Ordnung und mit der Behauptung, Reagan habe dem Land wieder „Frieden und Wohlstand“ gebracht, in die Defensive gedrängt hat. Dukakis hätte in der Debatte deutlich besser abschneiden müssen als sein Gegner, um die Umfrageergebnisse in den verbleibenden dreieinhalb Wochen bis zur Wahl noch einmal in Bewegung zu bringen.

Doch die ersten Reaktionen nach der Debatte gaben Bush an diesem Abend einen deutlichen Vorsprung - 49 zu 33 Prozent der Befragten, laut einer Blitzumfrage der Fernsehgesellschaft ABC. halten ihn für den Sieger.

Was die WählerInnen an Dukakis vor allem vermissen ist Emotionalität und menschliche Wärme. Gleich bei der ersten, herausfordernden Frage, ob er auch dann gegen die Todesstrafe sei, wenn seine Frau Kitty vergewaltigt und ermordet würde, kam nur ein mechanisches Nein und eine bürokratisch formulierte programmatische Erläuterung seiner Position zu Kriminalität.

In den folgenden anderthalb Stunden verspielte Dukakis noch mehrere Chancen, die ihm durch die Fragenden zugespielt wurden. So durfte er sich sogar zu dem Vorwurf äußern, er sei so bierernst - und antwortete, er bewerbe sich auch um einen sehr ernsten Posten.

Bush hingegen lieferte die Fortsetzung auf Seite 2

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lockerste Vorstellung, die man von ihm in diesem Wahlkampf gesehen hat. Das Selbstvertrauen, das er seit August durch seine bei Umfragen führende Position gewonnen hat, beflügelte ihn sichtlich und erlaubte ihm, sogar die Wahl Dan Quayles unwidersprochen als „gute Wahl“ zu bezeichnen. Er bezeichnete Dukakis mehrfach als „liberal“, was im amerikanischen Sprachgebrauch für „links“ steht, und Dukakis verteidigte nicht einmal seine Überzeugungen. Gleichzeitig haben die WählerInnen wenig Neues über die Vorhaben eines potentiellen Präsidenten Bush gelernt. Er steht für viele der Ideen seines Ziehvaters Reagan, sei es das SDI-Programm, die Globalstrategie des „Peace through Strength“ (Frieden durch Stärke) oder die Forderung nach einem Verfassungszusatz, der ein ausgeglichenes Staatsbudget vorschreibt. Zumindest jetzt distanziert er sich von Reagans seit acht Jahren praktizierter Verachtung der Unterklassen in der amerikanischen Gesellschaft und fordert verstärkten persönlichen Einsatz der Bürger sowie privater oder kirchlicher Institutionen, um sozialen Problemen zu begegnen.