Nichts gelernt

■ Zum taz-Klau als Anti-Paragraph-218-Kampagne

Karin Stieringer ist eine Ideologin. Nicht weil sie Abtreibungsgegnerin ist, sondern weil sie ihre wohl religiös motivierten Vorstellungen mit Gefängnisstrafen durchsetzen will, ohne zu bedenken, was für Unheil sie anrichtet und doch erfolglos ist.

Eine Frauengruppe, die Abtreibungsfreiheit auf ihre Fahnen geschrieben hat, bekämpft Karin Stieringer nicht politisch, sondern dadurch, daß sie die taz klaut und damit verhindert, daß Karin Stieringers Meinungen von taz-Lesern zur Kenntnis genommen werden können. Wie sich doch die Ideologen verschiedener Provinienz gleichen, doch mit einem Unterschied: Karin Stieringer nimmt die ihr gebotene Chance wahr, in der taz zu arbeiten, einer Zeitung, die von ihren CDU-Freunden mindestens als linkes Kampfblatt, wenn nicht sogar als Gewalt- und Terrorismusförderer angesehen und deshalb nur mit Aids-Handschuhen angefaßt wird.

Karin Stieringer gestaltet gekonnt und interessant eine Bremen-Ausgabe der taz, bestimmt nicht zur Freude ihrer Politfreunde. Sie mußte dabei mit taz-Redakteurinnen zusammenarbeiten, die möglicherweise abgetrieben haben, jedenfalls aber engagiert als potentielle Täterinnen infrage kommen. Vielleicht hat sie dabei gelernt, daß das keine Kindermörderinnen sind, daß Knast weder wirkungsvoll noch vertretbar als Androhung gegen Schwangerschaftsabbruch sein kann. Die taz-klauenden Frauen haben demgegenüber nichts gelernt, allenfalls wie frustrierend Diebstahl bei Nacht ist.

Waldemar Klischies