: Seh'n oder Nichtseh'n
■ Beginn einer sechsteiligen ZDF-Serie Samstag nachmittag: „Hollywood, Hollywood“
Als wäre es nicht genug, daß einem schon in blühender Jugend von der Schule die schönsten Themen kaputtdidaktisiert werden - nein, auch das Fernsehen will hin und wieder Anteil haben am bildend-belehrenden Abtöten von Stoffen, nach deren Vermittlung sich kompetente Leute die Finger lecken würden. Und Dieter Prokop, dem Kommunikationssoziologen, ist zwar eine trocken-gelehrte Fachkompetenz nicht abzusprechen, aber gerade deshalb hätte er vom Thema „Hollywood“ besser die Finger lassen sollen.
Buch und Regie hat er verbrochen - in Zusammenarbeit übrigens mit der Fernuniversität Hagen, bei der man Leistungsnachweise im Kurs „Hollywood, Hollywood“ erwerben kann. Und danach ist denn auch die sechsteilige Reihe über die Geschichte Hollywoods, die jeweils samstags von 14 bis 14.30 Uhr im ZDF gesendet wird und vorgestern begonnen hat. Also: Aufgepaßt, Hergehört und Mitgeschrieben!
Ein quadratischer Schulmeister-Schädel mit Wandertags -Lächeln unter der Brille drängt sich vor die Kamera: Es ist der Autor Prokop, der sich hinfort sitzend, lümmelnd, die Beine baumeln lassend und neckisch von seitwärts sich aus den Büschen nähernd dem Publikum dozierend präsentiert, um in staubtrockener Wahlkurs-Lockerheit „Die wilden Anfänge“ Hollywoods zu erläutern. Er war tatsächlich dort, das sieht man am Hintergrund: „Hollywood“ steht da in den bekannt -gigantischen Lettern am Berg. Das könnte natürlich auch eine Montage sein, doch beim redlichen Prokop verbietet sich schon der bloße Gedanke an solche Machenschaften. Aber aus diesem „ehrlich, persönlich dagewesen“ macht Prokop nichts anderes als einen Dia-Vortrag mit Zeigestock: „Hier stand das größte Studio der Anfangszeit“, deutet er hinter sich. „Und dort“ - der Arm fährt frontal in Richtung Publikum, die Kamera schwenkt hinterdrein - „dort waren die kleinen Häuschen, hinter denen sich früher die 'Babylon'-Kulissen türmten.“ „So verdichtet sich hier“ - der Daumen weist nach hinten - „Mediengeschichte“.
Aber außer der ständig anwesenden Gestalt von Dieter Prokop verdichtet sich hier gar nichts. Ausgiebig kann man sich übrigens auch am Anblick von Dieter Prokops lässig geöffnetem Übergangs-Staubmantel delektieren, der allerdings mehr wie ein Kulissenschieber-Arbeitskittel wirkt. Gönnerhaft, wie es deutsche Lehrerart ist, verteilt er Noten: „Es waren kreative Macher damals; geringe Mittel, aber tolle Effekte.“ Und wie es die Art von filmunkundigen Theoretikern ist, quasselt er ständig zwischen die Archivaufnahmen, um zu erklären, was wir sehen: „Hier sehen Sie den Hocker von Pola Negri. Miss Negri steht drauf, um sicherzustellen, daß sie immer ihren eigenen Sitzplatz hatte.“
Wir müssen auch mit ins Cecil B. de Mille-Museum, wo uns ein stocksteif dastehender Museumsdirektor erwartet: „Willkommen im Museum. Ich heiße Tim Burgh.“ Dann schwätzt gleich Prokop wieder weiter: „De Mille, den man den Karajan des Monumentalfilms nennt, gab sich schon damals so, wie wir uns einen Regisseur vorstellen - mit großen Dirigentengesten.“ Und richtig, da sehen wir einen Filmausschnitt mit Cecil de Milles „großen Dirigentengesten“. De Mille gehörte auch „zu den wilden Männern der kühnen Anfangszeit“, aber es ist zum Prusten, wenn einer wie Prokop dauernd die Worte „wild“ und „kühn“ im Munde führt, ohne auch nur ein Fünkchen von Pionier-Leidenschaften zu vermitteln.
Sybille Simon-Zülch
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