KULTIVIERT

■ Don Giovanni an der Staatsoper

Daß Don Giovanni die Verkörperung des Machtmenschen schlechthin bedeute und eben nicht die des Sammlers (was vielleicht jenes Register mit seiner buchhalterischen Akribie in Sachen Männlichkeitswahn vermuten ließe), davon ist Alberto Moravia überzeugt. Die Regisseurin Ruth Berghaus, die stets knapp und präzise auf das Wesentliche zu sprechen kommt, muß das ähnlich beurteilt haben, als sie 1985 Mozarts Oper an der Staatsoper inszenierte. Ihre Version brach mit den gewohnten Inszenierungstraditionen, womit die Provokation ebenso unvermeidbar war wie der Sturm der Entrüstung auf seiten des Publikums. Selten genug stand seither dieser vor allem auch politisch brisante „Don Giovanni“ auf dem Spielplan.

Eine Vorstellung ist nun an der Ost-Berliner Staatsoper angekündigt. Bis auf den Tenor ist erneut die Premierenbesetzung zu erleben. Bemerkenswert ist dabei Siegfried Vogel in der Titelrolle - keineswegs der leichtfertige junge Edelmann, wie ihn das Libretto nennt, nicht der triebhaft-agile Libertin, als vielmehr ein abgeklärter Grandsegneur, dessen Casanova-Allüren mit der Geste des überheblichen Herrenmenschen in Szene gesetzt werden. Assoziationen zum Charakter des deutschen Junkers drängen sich gleichsam auf und dürften beabsichtigt sein. Gerd Wolf in der Rolle des Leporello verkörpert den dummen August wie den ewigen Schüler, der nur dazulernt und als Möchtegernherr jämmerlich baden geht. Daß er letztendlich die Last mit den Liebeshändeln seines Herrn hat, bezeugt das Register, das er wie einen Schulranzen spazieren trägt. Magdalena Hajossyovas Donna Anna verspricht Leidenschaftlichkeit, während Celestina Casapietra als Donna Elvira mit kultiviertem Sopran vorführt, wie sehr Liebe blind macht. Neu besetzt ist die Rolle des verbürgerlichten Adligen Don Ottavio mit dem vielversprechenden Robert Gambill.

Von den drei Don Giovanni-Inszenierungen, die wir in Berlin haben, ist Berghaus‘ Sicht auf den Opernstoff für mich zweifellos am dringlichsten, schwerwiegendsten formuliert und szenisch umgesetzt.

Nächste Vorstellung: 18. Oktober. Wer den Vergleich anstellen will: an der Komischen Oper gibt es Harry Kupfers Inszenierung am 16. und 18.11. und die Deutsche Oper zeigt Noeltes inzwischen arg angestaubte Version am 14., 17. und 20.12.

ec