68er-betr.: "Abenteuer in Berlin", taz vom 8.10.88

betr.: „Abenteuer in Berlin“, taz vom 8.10.88

(...)Je mehr die 68er als naiv, lächerlich und korrupt dargestellt werden, desto mehr können die Nach-68er sich ihnen überlegen fühlen. - Solch ein Generationenwettbewerb um das schärfste Links-Sein verschüttet allerdings Einsichten: 68 gab es objektive, auf Lösung harrende Widersprüche, aus denen sich Feuer schlagen ließ. 68 lernten Menschen, in nein-sagenden Massen zu denken und zu handeln. Heute - nach der weltweiten Reagan-Thatcher-Kohl-Wende sind Massenindividuen reprivatisiert worden, funktionieren erkämpfte Freiheiten („sexuelle Revolution“, „Emanzipation“, „Bildungsreform“) markt- und systemkonform. Ohnmächtige und vom System Gelinkte sind objektiv „lächerlich“, - ob nun alte Neu-Linke oer Neuest-Linke von der allerersten Sahne.

Abschließend ein Blick auf das schwarze proletarische Südafrika: Die politisierten Schulkinder von heute wissen etwas von den faulen Kompromissen mit dem System, die manche 76er, manche Kämpfer der Fünfziger (von Defiance Capaign bis Umkhonto we Sizwe) geschlossen haben, und kritisieren das, aber sie verehren Tambo, Mbeki und Biko und wissen, welche Stärke in der historischen Kontinuität des Kampfes liegt. Lernen wir das doch mal von ihnen, statt uns bloß mit ihren Bildern zu schmücken.

E. Heidmann, Hamburg