US-Uranfabrik seit 20 Jahren undicht

Energieministerium deckt Uranleck in Ohio  ■  Aus Washington Stefan Schaaf

Tausende von Tonnen radioaktiver Abfälle aus einer uranverarbeitenden Atomwaffenfabrik in Cincinnati im US -Bundesstaat Ohio haben seit mehreren Jahrzehnten das Grundwasser verseucht. Obwohl die staatlichen Kontrollbehörden seit langem von dem Problem wußten, entschieden sie, kein Geld zur Behebung der Lecks und zur Entseuchung der Gegend aufzuwenden, da sie hofften, nicht haftbar gemacht werden zu können.

Dieser jüngste Skandal aus der US-Atomwirtschaft wurde am Freitag zum Thema einer Anhörung im Repräsentantenhaus in Washington, nachdem in der vergangenen Woche in den Lokalzeitungen erste Berichte erschienen waren. Das US -Energieministerium (DOE) hatte entsprechende Dokumente im Zusammenhang mit einer gerichtlichen Klage von 14.000 Anwohnern freigegeben. Aus den DOE-Unterlagen geht nicht hervor, wie schwerwiegend der Schaden ist, der für die Bevölkerung durch die radioaktiven Emissionen entstanden ist. Angefragte Experten bestätigten, daß die von der Anlage freigesetzten Uranpartikel eine Gefahr darstellen, falls sie vom menschlichen Körper aufgenommen werden.

Thomas Luken, Kongreßabgeordneter von Cincinnati, reagierte in dem Hearing auf die Zeugenaussagen von zum Teil schwerkranken Opfern der radioaktiven Verseuchung mit den Worten: „Die Angaben des Energieministeriums vor Gericht bedeuten, daß das DOE eine Art von chemischer Kriegsführung gegen die Bevölkerung von Fernald begangen hat. Es gibt zu, daß es seit mehr als 20 Jahren wußte, daß die Abfallgruben undicht sind. Fortsetzung Seite 2

Vor allem gibt es nun zu, daß es fast 35 Jahre lang auf seinen Händen gesessen und nichts unternommen hat, um diese ernsten und potentiell lebensbedrohenden Probleme zu beheben.“

Das Energieministerium versuchte mit der Übernahme der Verantwortung für die radioaktiven Emissionen gerichtlichen Schritten gegen den langjährigen Betreiber der Anlage in Fernald, NLO Inc., zuvorzukommen. NLO Inc. hatte die Anlage bis 1986 betrieben, als die Klage der 14.000 Anwohner eingereicht wurde. Seitdem untersteht die Uranfabrik einer Tochterfirma von Westinghouse Electric. Das DOE hoffte, die Klage, in der 300 Millionen Dollar Schmerzensgeld und Entschädigung gefordert werden, unter Berufung auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem vergangenen Jahr abschmettern zu können. Der Supreme Court hatte im Juni 1987 dem Militär und anderen staatlichen Stellen weitgehende Immunität gegen Klagen von Angestellten eingeräumt, die in Ausübung ihrer Dienstpflichten verletzt werden oder anderweitig zu Schaden kommen.