Skandaleinheit der Berliner Polizei spielt 007

Sondereinheit EbLT infiltrierte illegal autonome Szene / Anlaß: IWF-Kongreß  ■  Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Die Berliner Polizeieinheit „EbLT“ ist für Skandale immer gut. War es in der Vergangenheit das brutale Vorgehen gegen DemonstrantInnen, mit dem die 60 Mitglieder der „Einsatzbereitschaft für besondere Lagen und einsatzbezogenes Training“ (EbLT) wiederholt für Schlagzeilen gesorgt hatten, so bahnt sich jetzt ein neuer Skandal um die dubiosen Ermittlungspraktiken der Truppe an.

Mit illegalen Geheimdienstmethoden sollen die Beamten mehreren Zeitungsberichten zufolge die autonome Szene im Vorfeld der Berliner IWF- und Weltbanktagung ausspioniert haben. Mindestens drei Beamte der berüchtigten Sondereinheit EbLT sollen dabei mit falschen Personalpapieren versehen und „in ihrem Aussehen der Szene angepaßt“ versucht haben, die Autonomen im West-Berliner Bezirk Kreuzberg zu unterwandern. Gesetzliche Grundlagen für derartige Ermittlungstätigkeiten gibt es keine. Das Vorgehen verstößt vielmehr gegen das Prinzip der Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten, das verfassungsrechtlich verankert ist.

Wie die drei EbLT-Polizisten, darunter eine Frau, sich die falschen Papiere beschafft haben, ist nach einem Bericht des Berliner 'Tagesspiegel‘ nicht nachvollziehbar. Der Berliner Landespolizeidirektor Manfred Kittlaus (SPD) soll ebenso wie der Leiter der zuständigen Polizeidirektion 5 erklärt haben, Anträge der EbLT nach „Tarnpapieren“ wären abgelehnt worden. Die Beamten hätten sich allerdings auch nicht eigenmächtig Personalpapiere mit gefälschten Daten beschafft. Festzustehen scheint, daß die Drei den „Verlust“ ihrer Privatpapiere gemeldet und anschließend Ersatzdokumente beantragt haben. Mit den ursprünglichen Ausweisen soll dann nur noch das Foto übereingestimmt haben. Alle anderen Personaldaten waren verändert.

Der Auftrag zur Ausspähung der Autonomen kam unzweifelhaft aus der Berliner Innenbehörde. Wie diese bestätigte, hätte der Auftrag an die Mitglieder des Sonderkommandos im wesentlichen der Erstellung eines Lagebildes gedient, um „auf die anläßlich der IWF- und Weltbanktagung geplanten Gewaltaktionen mit polizeilichen Maßnahmen angemessen reagieren zu können“. Dem Protokoll einer Bespre Fortsetzung auf Seite 2

chung bei Landespolizeidirektor Kittlaus vom 4.August zufolge - auf das sich der 'Tagesspiegel‘ beruft - waren sich die Beteiligten darüber einig, daß es zu den Aufgaben der EbLT gehöre, „anlaßbezogen in der sogenannten 'Grauzone‘ verdeckt aufzuklären“. Über eine fehlende gesetzliche Grundlage ist offenbar schon damals geredet worden. In dem Protokoll wird auch „die schon über diese Grenze u.U. hinausgehende Tätigkeit von Frau ... erörtert“. Das Nachrichtenmagazin 'Der Spiegel‘ beschreibt diese „Tätigkeit“ in seiner heutigen Ausgabe als „sehr engagiert“. Als angebliche Lesbe soll die EbLT-Beamtin den Zugang zu autonomen Gruppen gefunden haben. Sie war dabei derart erfolgreich, daß ihr bei einem Koordinationstreffen angetragen wurde, im Rahmen der Anti-IWF-Kampagne eine Demonstration bei der Polizei anzumelden. Mit einem eingegipsten Bein habe die Polizistin dann einen Knochenbruch vorgetäuscht, um sich unverdächtig aus der Szene zurückziehen zu können. Der Vorsitzende der Westberliner „Sozialdemokraten in der Polizei“, Kriminalhauptkommissar Kramer, zeigte sich gestern angesichts der Berichte „völlig erschlagen und überrascht“. Seine schlimmsten Befürchtungen, die er schon vor über einem Jahr über diese „unsägliche Einheit“ geäußert habe, seien damit bestätigt worden. Auch der Berliner SPD-Abgeordnete Erich Petzold, Mitglied der parlamentarischen Kontrollkommission, beurteilte das Vorgehen der EbLT als „sehr kritisch“. Für die heutige Sitzung des Innenausschusses kündigte er eine ausführliche Stellungnahme an. Der Fraktionsvorsitzende der Alternativen Liste, Wolfgang Wieland, warf dem Innensenator unterdessen vor, die Elite-Einheit hätte „nunmehr noch eine nachrichtendienstliche Abteilung bekommen“.