Rechtswidrige Räumung: Polizei mischt mit

■ Kreuzberger MieterInnen wurden ohne Räumungsklage auf die Straße gesetzt / Staatsanwaltschaft, Polizei und Vermieter schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu / Spekulantenfirma „Data Domizil“ will das Haus mit Steuergeldern modernisieren

Unter massivem Polizeieinsatz geräumt wurden gestern mittag sechs Wohnungen in der Gitschiner Straße 87 und 87a in Kreuzberg auf Veranlassung der Hausverwaltung, der „Data Domizil“. Der Berliner Mieterverein spricht von einer „rechtswidrigen Räumung“, die AL von einem „noch nie dagewesenen Willkürakt“. Die Polizei habe sich zum „Büttel“ berüchtigter Spekulanten gemacht. Die sechs geräumten Mietparteien, die teilweise schon jahrelang in dem Haus wohnen, haben mündliche, freilich rechtsgültige Mietverträge mit dem Voreigentümer. Die Data akzeptierte deren Mietzahlungen als „Nutzungsentgelt“, stellte aber im August trotzdem Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs gegen Unbekannt, und dies zu einem Zeitpunkt, wo sie laut Grundbuch noch gar nicht Eigentümerin des Hauses war. Auf diese Strafanzeige hin schickte die politische Abteilung der Staatsanwaltschaft gestern gegen acht Uhr morgens die Polizei zur Durchsuchung vorbei, um „Beweismittel zu sichern“. Der Möbelwagen wurde gleich mitgebracht.

Eine Einstweilige Verfügung gegen die Räumung, von den Mietern am gleichen Vormittag beantragt, blieb ohne Erfolg, da der Anwalt der Data vorher beim Amtsgericht eine sogenannte Schutzschrift dagegen hinterlegt hatte. Währenddessen forderte die Polizei die sechs Mietparteien zum Verlassen ihrer Wohnungen auf. Die Leute folgten „freiwillig“, eine Mieterin wurde erkennungsdienstlich behandelt. Gegen 10.30 Uhr wurde die Durchsuchung laut Protokoll „ergebnislos abgeschlossen“. Danach ließ Data die Möbel aus den nun leeren Wohnungen verladen. Sofort danach begann ein Bautrupp in den sechs Wohnungen Stromleitungen, Herde und Spülen zu zerhacken und Schlösser auszuwechseln, derweil der geschäftsführende Gesellschafter der Data, Schnelle, mit einer Kamera herumlief und die Mieter fotografierte. Die Polizei riegelte mit mehreren Wannen noch Stunden später das Haus ab, um „Straftaten zu verhindern“, so Polizeisprecher Glaser. Heute wird die Klage der Mieter gegen die Data vor dem Amtsgericht Kreuzberg verhandelt. Wer Verantwortung für die Räumung trägt, war heute nicht zu klären. Polizeisprecher Glaser teilte mit, man hätte die Leute auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft aufgefordert, ihre Wohnungen zu verlassen. Zuvor hatte allerdings Justizsprecher Achhammer erklärt, die Polizei habe in eigener Verantwortung den von ihr angenommenen illegalen Zustand des Hausfriedensbruchs beendet. Später schloß er sich der Erklärung der Polizei an. Die Aufforderung zum Verlassen der Wohnung sei nur vorübergehend gemeint gewesen und nicht als Räumung zu verstehen. „Was mit den Klamotten hinterher passiert, ist nicht Sache der Polizei, sondern des Vermieters“, meinte Achhammer. Die Data hatte hingegen gegenüber dem Amtsgericht Kreuzberg erklärt, die Räumung sei auf Veranlassung der Polizei geschehen, so Achhammer.

Dies ist nicht der erste Ärger, den die MieterInnen mit der Data haben: So wurde in den vergangenen Jahren schon mal Öfen abgerissen und Wände durchbrochen, während noch die Verkaufsverhandlungen mit dem Voreigentümer liefen. Nach dem gestrigen Überfall reicht es ihnen nun endgültig. In einer gemeinsamen Presseerklärung mit der Mieterberatung SPAS fordern sie, daß das Haus, das im Sanierungsgebiet liegt, an einen für die Sanierung „geeigneteren Eigentümer“ übertragen wird. Dies, zumal die Data einen Antrag auf öffentliche Gelder zur Modernisierung gestellt hat. Auch in anderen Data -Häusern hatten Mieter gegen wegen deren „Wild-West -Methoden“ (die taz berichtete) eine Reihe von Strafanzeigen gestellt. Schwarzarbeit und Pfusch am Bau werden der Data ebenfalls vorgeworfen.

Eva Schweitzer