Ohrfeige für die Einsatzleitung

Bremer Polizeipräsident stellte Bestandsaufnahme zur Geiselnahme zusammen und kritisiert indirekt die Einsatzleitung / Meyer auf der Flucht nach vorn / Keine personellen Konsequenzen  ■  Von Holger Bruns-Kösters

Bremen (taz) - Als der 15jährige Italiener Emanuele de Georgio am 17. August um 23.07 Uhr von dem Geiselnehmer Dieter Degowski in den Kopf geschossen wurde, war weit und breit kein Notarztwagen in Sicht. „Dies Versäumnis war ein Fehler, der durch den Tod des Jungen eine besondere Dimension erhält.“ So steht es in einem 113seitigen vertraulichen Bericht des Bremer Polizeipräsidenten Ernst Diekmann, der inzwischen dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß zur Verfügung gestellt wurde.

Der Bericht Dieckmanns, der zur Zeit der Geiselnahme in Urlaub war, ist die erste zusammenfassende Aufarbeitung der Geiselnahme, soweit sie den Einsatz der Bremer Polizei betrifft. Und Dieckmann hat erhebliche Mängel, Versäumnisse und Fehler zusammengetragen.

Zusammengefaßt: Als der Bus in Huckelriede gekapert wurde, waren zuwenig Polizisten vor Ort. Es wurde versäumt, den Fahrer des gefährdeten Busses rechtzeitig zu warnen. Zudem wurde zwar Kontakt mit den Geiselnehmern aufgenommen, regelrechte Verhandlungen aber hätten trotz einer entsprechenden Vereinbarung mit den Tätern nicht stattgefunden. Zudem bemängelt Dieckmann, daß die Komplizin der Geiselnehmer an der Raststätte Grundbergsee nicht rechtzeitig wieder freigelassen wurde. Dieckmanns Ohrfeige für die Einsatzleitung: „Dieser Ablauf hätte möglicherweise bei einer kompetenten Führung vor Ort beschleunigt werden können.“

Bremens Innensenator Bernd Meyer, der das Geschehen die ganze Zeit in der Einsatzleitung in Bremen verfolgte, sieht keinerlei Veranlassung, aus dem Eingeständnis der Polizei -Fehler Konsequenzen zu ziehen. Im Gegenteil: „Ich finde es viel besser, wenn die Polizei selbstkritisch ist, als wenn sie so tut, als sei alles in Butter“, zeigte sich Meyer zufrieden.

Zudem sei der Bericht lediglich ein Mosaikstein bei der Aufarbeitung des Geiseldramas. Einen weiteren Mosaikstein wird demnächst der ehemalige Oberstaatsanwalt Günter Wendisch vorlegen, der im Auftrag des Senats an einem Gutachten über die Vorkommnisse arbeitet. Ende Oktober wird der Parlamentarische Untersuchungsausschuß seine öffentliche Beweisaufnahme beginnen.