Crash-Chronik 1987

25.August: Der Dow-Jones-Index, der Welt berühmtestes Aktienbarometer, klettert auf ein neues Rekordhoch: 2.722 Punkte, 775 Punkte höher als Ende 1986, ein Zuwachs von mehr als 30 Prozent in acht Monaten. Die 1986 noch als pure Spinnerei abgetanen Prognosen eines Dow-Jones von 3.000 oder gar 3.600 Punkten beginnen, realistisch zu werden.

4.September: Erstmals seit drei Jahren wird in den USA der Diskontsatz erhöht, von 5,5 auf sechs Prozent. Die Zinsen steigen.

26.- 29.September: Während der Vorkonferenzen zur Weltwährungstagung 1987 in Washington sind die Finanzminister und Notenbankchefs um den Eindruck von Ruhe an der Zinsfront bemüht. Die Politiker versichern, man sei ständig miteinander im Gespräch und habe alles im Griff.

6.Oktober:Die Stimmung an den Aktienmärkten ist hervorragend. „Die Zahl der Optimisten steigt“, faßt die 'Börsenzeitung‘ den Trend unter Deutschlands Bankern zusammen, in USA erkärt ein angesehener Aktienanalyst alle für verrückt, die jetzt keine Aktien kaufen.

9.Oktober:Die deutsche Bundesregierung gibt die Einführung einer zehnprozentigen Quellensteuer auf Zinserträge bekannt. Dies führt vor allem im Ausland zu einer Verkaufswelle bei D -Mark-Anleihen, der Aktienmarkt gerät unter Druck, die Kurse fallen.

13.Oktober:Die Deutsche Bundesbank erhöht die Zinsen für Wertpapier-Pensionsgeschäfte, die US-Regierung reagiert verärgert. Sie erwartet von der Bundesbank Zinssenkungen, um den Zinsvorsprung von Dollaranlagen zu erhöhen und so die ins Trudeln geratene US-Währung zu stützen.

14.Oktober:Die Zahlen des amerikanischen Handelsbilanzdefizits für August fallen höher aus als erwartet. Dies nährt auf den Märkten die Meinung, daß der Dollar noch weiter fallen muß, um die Probleme des US -Außenhandels zu beseitigen. Wall-Street reagiert auf die schlechten Augustzahlen mit Verlusten, der Dow Jones fällt um 95 Punkte auf 2.413.

15.Oktober: Amerikas Kapitalmarktzins überspringt lässig die Zehn-Prozent-Hürde und nähert sich 10,5 Prozent, das sind 2,5 Prozent mehr als zu Jahresbeginn. Die Geldanlage in Aktien wird immer weniger attraktiv, durch die stark gestiegenen Kurse ist der Ertrag der - wenn überhaupt - nur gemächlich steigenden Aktien-Dividenden im Vergleich zu festverzinslichen Anleihen kläglich. Die Anleger beginnen, Aktien abzugeben und hochverzinste Anleihen zu kaufen.

16.Oktober:US-Finanzminister James Baker kritisiert die bundesdeutschen Zinserhöhungen und die Quellensteuer heftig. Er droht, falls sich die Deutschen weiter unkooperativ verhalten, das Louvre-Abkommen zur Stabilisierung der Wechselkurse zu brechen und den Dollar fallen zu lassen. Die Märkte reagieren auf den politischen Zwist sofort, der Dollar fällt um fünf Pfennig auf 1,80 DM. In Wall Street ziehen schwere Gewitter auf, der Dow-Jones stürzt um 108 Punkte, ähnlich extreme Kurseinbrüche verzeichnet die Londoner Börse.

19.Oktober: Die Börsenbriefe mahnen zur Gelassenheit, nach den Verlusten der Vortage stellt der eine oder andere sogar eine Kursrally nach oben in Aussicht, doch als mittags die Börsen abgeläutet werden, ist das Beben da: 7,1 Prozent Kursverluste in Frankfurt, 10 Prozent in London und Zürich. Als ein paar Stunden später die Börse in New York eröffnet, ist die Hölle los: Alle wollen verkaufen, keiner will kaufen, der Dow-Jones fällt um 508 Punkte oder 22,6 Prozent. Auf dem Papier haben sich in den USA Vermögen von 530 Milliarden Dollar in Luft aufgelöst.

20.Oktober:Rekordverluste auch in Tokio, der Index stürzt um 14,9 Prozent. Die Börse Hongkong wird geschlossen. In Europa setzt sich das Beben fort. Politiker und Banker bezeichnen den Crash als unbegründet, die Notenbanken pumpen jede Menge Liquidität in die Märkte, um einen Totalschaden zu verhindern. Der Dow-Jones rappelt sich um 103 Punkte nach oben.

21.Oktober: McCashFlow erinnert in der taz an die Börsenregel, nach der Schwarze Tage Kauftage sind, tatsächlich verhalten sich die Kleinanleger wie ausgekochte Profis, die Banken können die Kaufaufträge kaum bewältigen. Der 'FAZ'-Index legt um sieben Prozent auf 577 Punkte zu.

22.Oktober: Die Schlußverkaufsstimmung vom Vortag erweist sich als Strohfeuer, weltweit sinken die Kurse wieder, die deutschen Aktien verlieren in der folgenden Woche 19 Prozent.

5.November:Die Bundesbank senkt den Lombardsatz von 5,0 auf 4,5 Prozent, doch die Zinssenkungen können den fallenden Trend nicht aufhalten. Am 10. November fällt der 'FAZ'-Index auf den Jahrestiefststand, der Dollar rutscht auf 1,65 DM ab.

3.Dezember: Der Diskontsatz wird um 0,5 Prozentpunkte auf den historisch niedrigsten Satz von 2,5 Prozent gesenkt. Der Dollar erholt sich auf 1,67 DM, fällt aber bis zum 31.Dezember auf ein Rekordtief von 1,58 DM. Dies macht dem (exportlastigen) deutschen Aktienmarkt zu schaffen, Ende Januar 1988 ist für den 'FAZ'-Index das Ende der bleiernen Crash-Zeit erreicht: bei einem Stand von 400 Punkten, 250 Punkte oder 40 Prozent weniger als vor dem Schwarzen Montag.