Schneller Wohnen

■ Nur wo? Während sich immer mehr StudentInnen auf den Komfort des elterlichen Kinderzimmers besinnen, heißt es für viele StudienanfängerInnen: Schlangestehen, Abstand blechen und durch Notunterkünfte tingeln

Nur noch selten erhält das Studentenwerk Briefe sogenannter „Schlummermütter“, die sich über nächtlichen Besuch ihrer studentischen UntermieterInnen beschweren. Die meisten der rund 120.000 Berliner StudentInnen, so Petra Fritsche vom Studentenwerk, zögen es ohnehin vor, in den eigenen vier Wänden zu wohnen. Die befinden sich zumeist in den (noch) preisgünstigen Altbaubeständen der Bezirke Wedding, Kreuzberg und Neukölln.

Die Alternative, ein erschwingliches Zimmer in einem Studentenwohnheim zu erhalten, ist auf rund 6.500 Plätze begrenzt. Angesichts allein der in diesem Semester erwarteten rund 20.000 Erstsemestler nicht allzuviel. Zudem ist die Rotation hier gering und die Wartezeit auf ein Zimmer beträgt bis zu 68 Monate. Wer einmal in einem Wohnheim untergekommen ist, bleibt oft die gesamte Studienzeit dort wohnen.

Einen besonderen Service bietet das Studentenwerk seit letztem Semester: das „Studentenhotel“. Hier gibt es Zimmer für eine - jedoch eng begrenzte - Anzahl von Studenten, die von der ZVS im Nachrückverfahren einen Studienplatz erhalten. Die Verweildauer im Studentenhotel ist allerdings auf ein Semester beschränkt. Eine erstaunliche Entwicklung bei StudentInnen haben neueste Untersuchungen des Bundesbildungsministeriums aufgedeckt - Wohnen bei den Eltern ist wieder in. Neben finanziellen Ursachen aufgrund drastischer Einschnitte beim Bafög liegt das, so die Studie, an liberaleren Elternhäusern, bei denen die Ablöseproblematik nicht mehr so kraß ist wie früher. Darüber hinaus zeigen die Untersuchungen, daß die Yuppie-Generation ein versorgendes Elternhaus mit Geschirrspüler, gebügelten Hemden und Mamas Zweitwagen den psychodynamischen Aspekten einer Wohngemeinschaft vorzieht.

Für die Mehrheit der StudentInnen ist die Suche nach einem Dach über den Kopf jedoch immer noch ein unvermeidliches Abenteuer. Die taz fragte StudentInnen, wie sie wohnen und was sie bei der Wohnungssuche erlebt haben.

Slawistikstudent, 2. Semester: Die ersten Nächte habe ich bei 'ner Bekannten gewohnt. Die Wohnungssuche ging relativ flott, hat nur zehn Tage gedauert. Jetzt wohne ich im Souterrain, Einzimmerwohnung ohne Bad. Bin aber trotzdem zufrieden, weil ich 'n Gärtchen und Zentralheizung habe. Rangekommen bin ich zufällig. Bekannte von Bekannten und so weiter.

Student der Luft- und Raumfahrt, 5. Semester: Ich wohne zu Hause bei den Eltern, muß keine Abgaben bringen, hab ein eignes Zimmer, und das ist soweit auch ganz gut. Ich habe auch schon überlegt, mit Freunden zusammen oder alleine zu wohnen, aber in erster Linie halten mich finanzielle Gründe davon ab, und irgendwie bin ich wohl auch zu bequem, da bleibe ich lieber zu Hause.

Informatik-Student, 14. Semester: Ich hab zuerst bei 'nem Bekannten im Wohnheim gelebt, der im Urlaub war. Der Anfang war dann ziemlich chaotisch: Anmelden, Immatrikulieren und innerhalb von zwei Wochen 'ne Wohnung finden. Das war Streß. In der Mensa war ein Anschlag: Zimmer für 200 Mark frei. Das hab ich dann gleich genommen, weil das konnte ich mir mit Bafög leisten. Es war 'n ziemliches Loch mit Außenklo, direkt zur Straße, gegenüber der Feuerwehr. Es war Sommer und sehr heiß, also entweder Fenster auf und Autolärm und fünfmal die Feuerwehr oder Fenster zu und schwitzen. Ich hab im Schlafsack aufm Teppichboden gepennt, für den ich noch 300 Mark Abstand zahlen mußte. Es gab nur Kaltwasser. Ich hab mir dann bei Woolworth 'ne Schüssel gekauft und mit 'nem Gaskocher warmgemacht. Dann hab ich einen Kommilitonen mit 'ner Badewanne getroffen. Im Endeffekt hab ich dann mal bei ihm gewohnt. Danach bin ich für drei Jahre in ein Wohnheim gezogen. Jetzt wohne ich mit meiner Freundin zusammen. Der Vermieter hat uns die Wohnung gegeben, da er wie meine Freundin im Krankenhaus arbeitet und aus derselben Gegend kommt wie ich.

Student der Stadt- und Regionalplanung, aus Kamerun, 5. Semester: Die erste Woche hab ich im Bahnhof Zoo geschlafen und hatte meine Sachen in einem Schließfach. Dann hab ich bei einem Freund, auch Ausländer, schwarz in einem privaten Heim mit ihm in seinem Zimmer gelebt. Bei der Wohnungssuche über Zeitungsanzeigen hat man mir dann gesagt, daß alles besetzt sei, auch wenn das Zimmer oder die Wohnung noch frei war. Schließlich hat mich das Akademische Auslandsamt zur Untermiete vermittelt. Später hab ich ein Zimmer in einem privaten Wohnheim gekriegt, wo ich jetzt noch wohne.

Studentin des Bauingenieurwesens, 13. Semester: Bei Freunden habe ich die ersten Nächte verbracht, nachts dort geschlafen und tagsüber die Wohnungssuche. Dann hatte ich ein Zimmer in einer WG, danach mit einer Freundin eine Wohnung, wo wir dann rausgeflogen sind, weil wir viel Männerbesuch hatten und die Leute meinten, das wär so ein rotes Lichtlein. Dann haben wir in Kreuzberg eine überteuerte Wohnung gefunden, wo wir Abstand zahlen mußten. Das dauerte auch nicht lange, weil das Haus in Eigentumswohnungen umsaniert wurde. Dann war ich zwei Jahre im Studentenwohnheim. Nach viel Sucherei habe ich meine jetzige Wohnung - Altbau, OH - gefunden, für die ich über 4.000 Mark Abstand für alte Gardinen, alte Möbel und so hinlegen mußte. Ich hab den Kram verschenkt und den Rest weggeschmissen.

Psychologiestudentin, 2. Semester: Ich habe quasi das erste Semester hier verpaßt, weil ich nichts zu wohnen hatte und wieder nach Hause mußte. Zuerst war ich in einer Jugendherberge, dann in einer Pension und bin danach völlig entnervt erstmal zurück nach Westdeutschland. Jetzt habe ich zwei Monate bei 'ner Freundin aus meinem Heimatort geschlafen, die schon ein Jahr in Berlin ist und endlich ein Zimmer im Studentenwohnheim bekommen hat. Auf Wohnungssuche in Berlin bin ich nicht gut zu sprechen. Die letzten Wochen habe ich vergeblich versucht, was zu finden. Frustig war die Sache mit dem Abstand. Da standen dann die Leute in der Wohnung und der Vormieter fragte, wer bietet am meisten, obwohl für den Abstand nichts geboten wurde - nur Spinnweben in der Ecke.

Interview: Thomas Lecher