Der Spion, der aus der Gülle kam

■ „Die Reportage“, Dienstag, 18.10., ZDF, 19 Uhr 30

Eine einstweilige Verfügung gegen die ZDF-Reportage High -Tech-Spionage verhinderte die Ausstrahlung derselben und somit auch die Entlarvung irgendeines Agentenringes, womit es jetzt 1:0 für die Gegenspionage steht. Trotzdem alles Schwindel, weil ja das Prinzip Geheimhaltung mit dem Prinzip Elektronik ein für allemal inkompatibel ist, wie es mittlerweise alle Spatzen vom Chip pfeifen. Selbst in Moskau stehen öffentlich zugängliche Computer-Terminals, und das über kurz oder lang an jeder Ecke, über die jeder Sowjet und jede Sowjetin in aller Welt herummailen kann und sich aus dem extrasensorischen Meer von Informationen bedienen, mit denen sich unsere Ionosphäre allmählich füllt, während sich die Ozonschicht leert. Warum dann also so tun, als hätten die, die etwas exklusiv haben und vor dem Rest der Menschheit verbergen wollen, dazu überhaupt noch die Gelegenheit? Wahrscheinlich um den Agenten und ihren Antigenten das bedrohte Handwerk zu erhalten, worüber dann eine ZDF-Reportage etwas Spionettes enthüllen kann, was dann aber doch per einfühliger Verweigerung nicht gesendet usw., usw., aber das hatten wir wohl schon.

Was nun? Eigenartig, das letzte Mal, als mich Regina del Media bat, eine ZDF-Reportage zu beglotzachten, war die auch gerade kurzfristig vom Programmteller gewischt worden. Ich glaube, irgendetwas stimmt mit meinem TV-Karma nicht, vielleicht habe ich den bösen Blick.

Das sinnreiche ZDF behalf sich dafür mit einer Öko -Reportage über Wanzen unter dem Titel Schmetterlinge gibt's nicht mehr. Das heißt, es gibt zwar noch ein paar Wanzen zwischen Flora und Fauna, aber etwa 70Prozent stehen auf der Roten Liste der Kammerjäger. Die meisten Wanzen sind durch unsachgemäße Landwirtschaft hoffnungslos überdüngt und tragen somit nicht mehr zur Berreicherung der Ökotope bei. Die bäuerliche Gülle-Fülle - „der Schwedentrunk für Kleinstlebewesen“ - die Drehschneide, der Saugbagger und die Schwingwalze machen der kribbelvollen Biowiese den Garaus, bis am Ende nur noch eine tennisfähige Nutzgemarkung übrigbleibt, oben Eurogrün, unten Saheltod, in der ein einsamer Poet die Namen der an landwirtschaftlicher Syphillis zugrundegegangenen Arten rezitiert, ohne daß ein Vogel mitsingt: Lausiger Wanzwurz, gemeine Zwicke, Wuschelwurm, Rieselpunzel, nesselige Schilfmöhre, geschleimter Streckback, Schmalzlilie und wie sie alle heißen, die uns fehlen.

Wünschenswert wäre eine Messias-Maschine, in dessen eine Seite man Artenarmut eingibt, während an der anderen Seite Artenvielfalt wieder rausquillt. Achmed aus Syrien sagt mir seit Jahren, daß sowas nach dem Prinzip der sich selbst beschleunigenden Unerschöpflichkeit technisch wie philosophisch machbar sei, gleichwohl wissenschaftlich -unorthodox bliebe. Turbo-Orgon-Kasten, Füllhorn statt Güllhorn. Damit könnte man auch noch den Mars mitbegrünen. Geheimnis statt Geheimhaltung. Wann stoßen die sich ewig am gegenseitigen Arschloch selbst beschnupperden Spione darauf, daß es Erkenntnisse gibt, die zu sammeln sich lohnt? Wir sind gespannt auf die nächste abgesetzte ZDF-Reportage.

Micky Remann