Stoltenberg und die Affäre

Berlin (taz) - „Er ist der zum Machtapparat gewordene Mensch“, so hat ihn Jochen Steffen lange vor der Waterkantgate-Affäre charakterisiert. „Kontaktgestört“, „gründlich“ und nach anfänglichen Schwierigkeiten mit seiner Bauernblock-Klientel aus Holstein ein Meister der Manipulation - ohne Sinn für strategische Perspektiven, aber „gründlich“ bis ins letzte Detail. Barschel sei jemand, der nach der Maxime Politik mache: „Wenn der Teufel im Detail steckt, ist Kenntnis der Details Herrschaft über den Teufel.“

Nach Barschels Ehrenwort-Pressekonferenz am 18.9. mit den eidesstattlichen Erklärungen, die Stoltenberg am Radio verfolgte, entdeckte Kiels Finanzminister Asmussen und sein Staatssekretär in Barschels Ehrenwort eine Lüge und damit plötzlich „die Tragweite des Problems“. Der Ministerpräsident selbst erfuhr, daß sämtliche (abgestrittenen) Telephongespräche aus dem Landeshaus und aus dem Auto Barschels registriert waren.

Am 25.September kündigte Barschel seinen Rücktritt an. Der CDU-Landesvorsitzende kehrte vorzeitig von seiner Reise aus den USA zurück und bemühte sich um Schadensbegrenzung. Spätestens am 28.September, als Fraktionschef Klaus Kribben Stoltenberg über seine Unterhaltung mit dem abtrünnigen Asmussen und die nicht mehr geheim zu haltenden Indizien gegen Barschel informierte, war die Marschrichtung klar: Barschel wurde wie eine heiße Kartoffel fallengelasssen. Seinen Angaben zufolge soll der Ex-Ministerpräsident bereits zu diesem Zeitpunkt eine Mandatsniederlegung angeboten haben. Am ersten Oktober jedenfalls spätestens ging es in einer größeren Runde mit Fraktionskollegen, so Stoltenberg, wieder um das „Für und Wider“ einer Mandatsniederlegung. Nach ausdrücklicher Abstimmung mit Stoltenberg fordert die CDU-Landtagsfraktion den inzwischen im Urlaub weilenden Barschel am 9. Oktober zur Niederlegung seines Landtagsmandats auf. Tags darauf spekuliert CDU-Politiker Olderog bereits öffentlich über ein Parteiausschlußverfahren gegen Barschel. Der beschwerte sich tags darauf in der 'Bild‘, er sei „betrübt und verbittert“ über seine Parteifreunde und behauptete starrsinnig, „meine Angaben entsprechen der Wahrheit“. Am Tag darauf lag er tot in der Badewanne. Fünf Tage später, nach heftigem Gebrüll auf der erweiterten Landesvorstandssitzung erklärte Stoltenberg vor Journalisten: Die ersten Beratungen des Untersuchungsausschusses am 8.Oktober hätten Zeugenaussagen erbracht, die nach übereinstimmenden Beurteilungen in der Publizistik für Uwe Barschel erhebliche Probleme gebracht hätten. „Deshalb hat die Fraktion den dringenden Wunsch nach einer sofortigen Aussprache mit Uwe Barschel bekundet, um ihm nahezulegen, auf sein Mandat zu verzichten.“ Apodiktisch erklärte Stoltenberg, der Vorwurf des Fallenlassens oder gar der Vorverurteilung sei „ungerechtfertigt“. Dennoch haderte Witwe Freya fortan mit dem Ex-Gönner ihres Gatten und verbat sich dessen Auftritt bei der Trauerfeier in Lübeck.