Bessere Schlager gibt es nicht

■ Ulla Meinecke: Ganz dumm hineinfallenlassen und sich drin wohlfühlen

Mein ganz persönliches Konzert des Monats? - Mein Date im Oktober läuft am 27., da nämlich spielt die Ulla Meinecke im Modernes... Naserümpfen, verstörte Blicke, die Kollegen, „nun ja“, sie hatten mehr an was Originelles gedacht, „du weißt schon...“. Klar weiß ich. Es ist ja so eine Sache mit der Toleranz, vor allem bei der Musik. „Wat dem einen sin Uhl, is dem annern sin Nachtigall“, pflegte mein Großvater zu sagen, doch bei der Musik greift das nicht: Zu viele behaupten, die Nachtigall sänge ausschließlich im eigenen Vorgarten. Daß es auch einen Pool voll guter Schlager gibt, ist dem, der sowieso alles diesseits von Ornette Coleman für Volksverdummung hält, wahrscheinlich eine grausliche Vorstellung. Wir dagegen lassen uns ganz dumm hineinfallen, prüfen, ob wir uns drin wohlfühlen und machen dem Avantgardisten draußen die lange Nase.

Fragt sich natürlich, ob die Ulla Meinecke überhaupt das geeignete Objekt für derartige Übungen ist. Kaum schwimmt man drin, in ihrer Musik, stößt man nämlich auf eine Reihe von langweiligen und doofen Titeln, exemplarisch sei der hier erwähnt, den sie einst mit ihrem Haus-und Hofschreiber Herwig Mitteregger im Duett sang, der wohl ein Liebeslied werden solte und sich als platte Schnulze entpuppte (Feuer unterm Eis, 1983). Sehr bieder auch die Lieder, in denen die Ulla der Szene bisweilen schlimmschlimm nach dem Maul faselte: Oder ist es etwa orriginell, in Zeiten, wo sowieso alle fanden, daß Gianna Granini, Toscana, Grappa und tirami su einfach das Größte seien, vom „Charme italienischer Frauen“ zu atmosphären?

Ulla Meinecke, das finde ich, ist die beste Popsängerin Deutschlands - wenn es ihren Komponisten gelingt, ihr verstehend zuzuarbeiten. Dann nämlich lassen sich aus der durch mancherlei Durchschnittlichkeiten recht trüben Brühe ihres Gesamtwerkes echte Perlen fischen, deren schillerndste wohl immer noch „die Tänzerin“ ist: Ein spannendes, konzentriert ein Thema auf den Punkt bringendes (Frau begehrt Frau) und musikalisch wirkungsvoll aufs Elementare reduertes Liein deutscher Sprache: Immer, wenn Ulla Meinecke thematisch in ihrer Erlebnissphäre bleibt, wenn sie wunderbar weiblich ihre enge Umgebung beschreibt, dann ist sie ähnlich Gut: „Schiess die Lichter aus...“ betitelte sie fast karnevalistisch ihren sehnlichen Wunsch nach dem Ende einer Fete.

Die besten Lieder haben etwas gemeinsam - sie stammen alle aus der Feder von Edo Zanki. Sie ist ein Glücksfall, diese leider zu seltene Symbiose zwischen dem schweren Mann mit der leichten Hand und der Hamburger Sängerin mit den so sanft wehmütigen Texten. Bessere Schlager gibt es nicht.

Rainer Köster