MONOLOG ALS DREIERKISTE

■ „Kolik“ im Kroll-Theater

Rainald Goetz ist ein Star. Das hat er seinem untrüglichen Gespür für medienwirksame Auftritte und Selbstinszenierungen zu verdanken, einer sonst eher seltenen Begabung bei Literaten. Was Michael Jackson seine immer wieder neu operierte Nase oder der begleitende Lieblingsschimpanse, ist Rainald Goetz die aufgeschnittene Stirn von Klagenfurt. Mit dieser hier zum dreitausendsten Mal erwähnten Geschichte vom Ingeborg-Bachmann-Wettlesen ist es Goetz schon 1983 gelungen, sich zum Popstar, Punkautor und destruktiven Wahnsinnigen zu stilisieren. Damals war das Timing genau abgestimmt auf das Erscheinen seines Psychiatrie-Erlebnis -Romans Irre.

Die folgende Krieg-Trilogie des großen Welthassers und „Ich-Sagers“ Goetz, gegen den Thomas Bernhard als optimistischer Menschenfreund erscheint, wurde im Winter 1987 vom Schauspiel Bonn unter Hans Hollmann uraufgeführt, bundesweit bejubelt und die Inszenierung im Mai zum Theatertreffen nach Berlin eingeladen, wo Krieg in der Messehalle ausbrach.

Kolik ist nach Heiliger Krieg und Schlachten der Abschluß der kämpferischen Trilogie und wird jetzt erneut von der „Bosch Bühne Berlin“ im Krolltheater gezeigt. Nun handelt es sich allerdings bei dieser „Kolik“ um ein Monodram, einen Text also, der die krampfartigen Schmerzen im Unterleib einer einzelnen Bühnenfigur - eine Kolik eben nachzeichnet. In einem großen kunstvollen Monolog erlebt mensch die verschiedenen Abstufungen des Hasses auf die Welt und sich selbst: tiefste Verzeiflung und rauschhafter Größenwahn, Todessehnsucht und animalische Schmerzen in einer äußerst komprimierten Sprache von großer Expressivität.

Die Bosch-Bühne quetscht den Wechsel der Töne in die Beziehungskiste. Das soll wohl „spielbarer“ sein und für den Zuschauer leichter konsumierbar. Unter Werner Waas‘ Regie spielen Roger Hofmann und Klaus Baumeister von der Punkpopband „k.u.k.“, Saskia Schlichting und Christine Wander mit großem Kraftaufwand die emotional unterschiedlichen Textpassagen, als wären es Szenen einer Ehe. Automatisch findet die Kolik des Textes nicht mehr im Innern als Zerreißprobe der Person statt, sondern wird zum Austausch von Grundsatzpositionen. Agieren die Schauspieler dann auch noch in dem viel zu konkreten Bühnenbild mit der schicken weißen Bar, wo ewig die Flaschen (!) poliert werden, und brüllen zwischen halbgelungenen Seufzern und Tränen ihre Texte über den Weltschmerz hervor, dann bleibt dem Zuschauer bei „Warum quält man mich?“ angesichts der überdeutlichen Dreierkonstellation (ein Mann zwischen zwei Frauen) nichts anderes übrig als Eifersucht, Betrug, Verrat zu assoziieren. So rutschen fast auch Goetz‘ philosophisch -dilettantiche Passagen über die schmale Grenze der Peinlichkeit hinab. „Schweigen herrscht, wo Denken denkt“ wird in ungelenker Schrift bedeutsam an die Wand gemalt. Neo -Existenzialismus oder Heidegger-Seminar?

Susanne Raubold

Zu entscheiden am 21. und 27. bis 30. jeweils um 21 Uhr im Krolltheater im S-Bahnbogen am Savignyplatz, Grolmannstraße.