: Kewenig - Geißel der Freiheit
■ Kewenig gegen Matthes beim Stadtgespräch Mittwoch abend auf dem Dritten Programm
Wenn Kewenig nicht den letzten Kredit verspielt hat, dann nur deshalb, weil während dieser Debatte das Fußballspiel BRD gegen Holland übertragen wurde auf einem anderen Kanal. Nach zahllosen filmischen und photographischen Dokumenten gezielter polizeilicher Gewalteinsätze gegen Journalisten nun auch das noch: Kewenig „läßt sich in Sachen Verteidigung der Grundrechte von niemand den Rang ablaufen“. Schließlich habe er 20 Jahre lang über Grundrechte gelehrt an den Deutschen Universitäten, bevor er sich von Weizsäcker hat überreden lassen, in die Politik zu gehen.
Richtig: Kewenig war „Rechtslehrer“. An der Uni bereits hatte er den Ruf, beim Reden mit dem Denken nicht recht hinterher zu kommen. Seinen Ruf in ein akademisches Lehramt verdankte er allein dem kaum zu deckenden Proporzbedarf an chamäleonhaften Konservativen nach der Studentenbewegung. Es gab in der Zeit nach 1967 viele qualifi zierte „fortschrittliche“ Bewerber für Professorenämter. Gerade an traditionell-konservativen Fachbereichen wie den juristischen konnte in dieser Zeit jeder, der nicht den Ruf der Fortschrittlichkeit anhaften hatte, im Kehrwasser der Reformbewegung in ein Lehramt geschwappt werden. Kewenig ist einer dieser Leute! Rechtslehrer zu sein, das lehren uns zahllose Beispiele der „Nachkriegsjurisprudenz“, schützt nicht vor reaktionärer und antidemokratischer Gesinnung. Sehen wir uns das Beispiel Theodor Maunz an, der es unter Gesichtspunkten wissenschaftlicher Qualifikation nicht verdient hat, mit Kewenig verglichen zu werden: Er ist Autor des ersten, bis heute führenden, großen Kommentars des bundesrepublikanischen Grundgesetz. Er war bis 1945 mit derselben wissenschaftlichen Überzeugung den Nazis zu Diensten. Deutsche Juristen der Nachkriegszeit, mit ihnen Kewenig, sind nahezu ausschließlich von Professoren ausgebildet worden, die den Nazis gedient haben. Von Leuten wie Dreher (Chefkommentator des Strafgesetzbuch, Nazi), Carl Larenz (Cheflehrer des Zivilrechts, Nazi), Forsthof undsoweiter undsofort.
Matthes vom Berliner 'Tagesspiegel‘, der nicht gerade im Ruf steht, besonders fortschrittlich zu sein, hatte schon recht: Es blieb in Berlin mit seiner bewegten Geschichte zeitgenössischer Innen- und Sicherheitspolitik, auch vor dem Hintergrund der Frontstadt westlicher, angeblich freiheitlicher Werte, ausgerechnet einem „Verfassungsrechtler“ vorbehalten, der Polizei durch gezielte Einsatzbefehle den organisierten Angriff auf die Grundrechte zu ermöglichen. Die gestrige Vorstellung des Senators wird dazu beigetragen haben, daß keiner mehr sagen kann, er habe nicht gewußt, wes Geistes Kind dieser Kewenig ist.
Jonny Eisenberg
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