Der Weltmarkt wartet auf Namibia

Das ifo-Wirtschaftsinstitut skizziert die Wirtschaft des Landes unter einer künftigen SWAPO-Regierung / Bessere Absatzchancen des Bergbaus / Institut erwartet nur wenige Verstaatlichungen  ■  Von Ulli Kulke

Berlin (taz) - Auch wenn der Zeitplan für die Unabhängigkeit Namibias noch in den Sternen steht, so machen sich doch die Strategen des Weltmarktes bereits heute verschärft Gedanken darüber, wer ihnen da demnächst als neuer Teilnehmer am internationalen Handel und Wandel ins Haus steht. Das Münchner ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, eines der halb-offiziösen „fünf führenden Wirtschaftsinstitute“ des Landes gibt den Strategen jetzt Hilfestellung in einer zwölfseitigen Expertise über das heute noch unter vollständiger südafrikanischer Kontrolle stehende Land mit dem Titel Namibia: Bald ein neuer Wirtschaftspartner.

Die Wirtschaftsauguren bereiten ihre Klientel darauf vor, daß sie es künftig mit der Regierung unter der Kontrolle der South West African Peoples Organisation (SWAPO) zu tun haben werden, ob sie es wollen, oder nicht: „Die Swapo wird international anerkannte Wahlen unter UNO-Aufsicht gewinnen, und zwar eher mit einer Zweidrittel- als nur mit einfacher Mehrheit.“ Schuld daran hat, laut ifo, die „katastrophale Politik Pretorias gegenüber Namibia“, die dort „den Apartheidsabbau behinderte“, so daß vieles dafür spreche, daß es „de facto zu einem Einparteienstaat nach zimbabwischen Muster“ kommen dürfte.

Die Politprognose fällt dennoch nicht sehr beunruhigend aus, da das ifo-Institut davon ausgeht, die SWAPO strebe eine „gemischte Wirtschaft, bei der das 'kapitalistische‘ Element stärker vertreten sein wird als das 'sozialistische'“ an. An Enteignungen erwartet man lediglich solche von unproduktiven Farmen und Jagdfarmen von großen Farmbaronen, „dies jedoch zu herrschenden Marktpreisen“. Das Institut hält diesbezüglich den SWAPO-Wirtschaftsstrategen zugute, „daß man offenbar von den negativen Erfahrungen in anderen schwarzafrikanischen Staaten gelernt hat bzw. lernen will“. Beim wichtigsten namibischen Wirtschaftszweig, dem Bergbau, erwarten die Münchner „eine stärkere Beteiligung des Staates an den Erlösen der Minenindustrie, eine Verstaatlichung jedoch kaum“. Vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit als Kolonialmacht wird auf „das große Ansehen“ hingewiesen, daß „in Namibia nach wie vor bei allen angesprochenen Konfliktparteien und auf allen Konfliktfeldern die Bundesrepublik“ genieße. „Sie wird als ein möglicher idealer Makler gesehen - für den Unabhängigkeitsprozeß, für Verfassungshilfe und für den weiteren Aufbau des Landes.“

Die Wirtschaftsforscher sind erstmal hoffnungsfroh: „Die aktuelle wirtschaftliche Lage spiegelt ein im großen und ganzen zufriedenstellendes Bild wider.“ Und daran dürfen auch weiterhin alle diejenigen teilhaben, die auch heute schon zufriedengestellt werden: „Insgesamt wird sich für die Eigentümer produktiven Kapitals kaum grundlegendes ändern.“ Die verarbeitende Industrie führe dabei eher ein „Schattendasein“, die auch weiterhin „ohne große Chancen“ dastehe. Bestimmte Bereiche der Landwirtschaft seien jedoch äußerst vielversprechend. Gute Aussichten böten sich beispielsweise für die Rindfleischproduktion. Dies vor allem aber deshalb, weil der Nachbar Südafrika, der 80 Prozent dieser Produktion abnimmt, „gegenwärtig zu den besten Fleischmärkten“ mit den besten Fleischpreisen gehört. Auch aus diesem Grunde meint Ifo, daß der neuen SWAPO-Regierung gar nichts anderes übrig bleibt, als diese Kontakte auszubauen: „Gute Wirtschaftsbeziehungen zu Südafrika sind auf vielen Gebieten die Voraussetzung für ein ungestörtes und dem Potential entsprechendes Wirtschaftswachstum.“

Einen großen Aufschwung versprechen sich die Forscher von der Fischerei-Industrie nach der Unabhängigkeit, weil erst dann die übliche 200-Meilen-Wirtschaftszone international anerkannt werde. Die lukrativsten Fischgründe werden bislang noch „in erheblichem Umfang durch Fischereiflotten vor allem von der Sowjetunion, Polen und Spaniens ausgebeutet“.

Die internatonale Anlagen-Industrie darf jetzt schon darauf hoffen, daß der namibische Bergbau, der heute schon „das Rückgrat der Wirtschaft“ ist, künftig ein noch größerer Exportmarkt werden wird. Zur Zeit würden nämlich viele Rohstoff-Abnehmer „ihre Bezugsquellen auf politisch weniger sensitive Lieferanten zu diversifizieren“. Künftig könnte auch das vor der Küste entdeckte ausgedehnte Erdgaslager von zwanzig Billionen Kubikfuß angegangen werden

Auch die Tourismusindustrie darf sich laut ifo-Institut freuen: „Das touristische Potential Namibias ist bedeutsam“

-wie lange noch, steht auf einem anderen Blatt. Denn als ein Grund wird neben der „noch weitgehend unbeeinflußten“ Landschaft und der ungewöhnlichen Flora, die „vor allem in den Reservaten noch reiche Tierwelt“ angeführt.