Repressiver Instinkt

■ Thatcher schränkt die Pressefreiheit ein

Das von der Regierung Thatcher verfügte Interviewverbot mit nordirischen „Terroristen“ und deren „Sympathisanten“ stellt den schärfsten Eingriff des Staates in die Freiheit der britischen Rundfunk- und Fernsehanstalten seit Kriegsende dar. Mit der Begründung, den „Terroristen“ der IRA müsse der „Sauerstoff der Publicity“ abgedreht werden, greift die Regierung zu juristischen Mitteln, wie sie auch in Südafrika zur Bekämpfung eines politischen Problems gang und gäbe sind.

Was die Lösung des Nordirland-Konfliktes angeht, wird das Verbot der direkten Wiedergabe von Erklärungen der legalen Sinn Fein-Partei mit Sicherheit kontraproduktiv sein. Das anglo-irische Abkommen ist schließlich bisher deswegen gescheitert, weil London zwar die Zugeständnisse Dublins kassiert hat, die als Gegenleistung erforderliche Verbesserung der rechtsstaatlichen Situation jedoch schuldig geblieben ist. Die politische Entfremdung der katholischen Bevölkerungsminderheit wird mit der neuen Zensurmaßnahme noch verstärkt.

Die Beschneidung des Grundrechtes der freien Meinungsäußerung in Nordirland verdeutlicht, daß die seit neun Jahren unangefochten herrschende Regierung Thatcher statt politischer Weitsicht immer hemmungsloser ihrem repressivem Instinkt folgt. Nach dem versuchten Verbot der Agentenmemoiren des „Spycatcher“, nach der als „Reform“ getarnten Verschärfung der Geheimhaltungsakte, nach dem Gewerkschaftsverbot im staatlichen Abhörquartier GCHQ folgt nun eine erneute Attacke auf die Medien als letzte Hüter einer liberalen Öffentlichkeit. Nicht dem „Terrorismus“, sondern der Demokratie wird hier der Sauerstoff abgedreht.

Rolf Paasch, London